Versteht man supranationales Handeln internationaler Organisationen wie in diesem Beitrag als Handeln mit Durchgriffswirkung, handeln die Vereinten Nationen in verschiedenen Bereichen supranational, zB durch Ausübung von Strafhoheit gegenüber Einzelpersonen im Rahmen der ad hoc-Straftribunale, im Rahmen von UN-Territorialverwaltungen und (seit dem Kosovo-Gutachten von 2010 anerkannt) auch durch Individualberechtigungen oder -verpflichtungen herbeiführende Sicherheitsratsresolutionen. Diese Durchgriffsbefugnisse müssen gewissen völkerrechtlichen Anforderungen hinsichtlich demokratischer Legitimation, Menschenrechtsbindung und Eröffnung effektiver Rechtsschutzmechanismen genügen.



- ISSN Online:
- 1613-7663
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Inhalt der Ausgabe
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S. 3 - 27, Aufsatz
Andreas Th. Müller -
S. 29 - 52, Aufsatz
Birgit HaslingerDas vermehrte Auftreten von nichtstaatlichen Akteuren stellt eine von mehreren Herausforderungen an die Steuerungskraft des Völkerrechts dar. Der Beitrag untersucht diese Frage zunächst allgemein anhand einer Unterscheidung nach ausgewählten Akteuren unter Anwendung eines Legitimitätsansatzes. In weiterer Folge wird die Verhaltenssteuerung von transnationalen Unternehmen in den Fokus gestellt. Dabei wird insbesondere auf die Frage des Vorteils verbindlicher und unverbindlicher Regelungen, das Ruggie-Rahmenwerk und die zu seiner Implementierung erlassenen Leitprinzipien sowie die 2015 neu eingesetzte Open-ended Working Group und daran anschließende Entwicklungen eingegangen.
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S. 53 - 73, Aufsatz
Gerd OberleitnerDieser Beitrag befasst sich mit der Frage, ob ownership (verstanden als eigenverantwortliche Teilhabe nichtstaatlicher Akteure an der völkerrechtlichen Rechtssetzung) verbesserte Rechtsbefolgung nach sich zieht. Dabei steht im Vordergrund, ob und wie nichtstaatliche bewaffnete Akteure durch ownership zur Einhaltung ihrer Verpflichtungen aus dem humanitären Völkerrecht bewegt werden können. Ownership wird dabei als eine Möglichkeit gesehen, die Frage der fehlenden oder fraglichen Völkerrechtssubjektivität nichtstaatlicher Akteure zu umgehen. Der Beitrag diskutiert mögliche Formen der Teilhabe nichtstaatlicher Akteure an der Vertragserrichtung und der Schaffung von Völkergewohnheitsrecht, der Abgabe einseitiger Erklärungen und der Rolle von Selbstverpflichtungen und analysiert diese im Lichte breiterer völkerrechtspolitischer Argumente von Fairness und Legitimität. Als pragmatisches Beispiel für Innovation stehen dabei die sogenannten Deeds of Commitment der Genfer Nichtregierungsorganisation Geneva Call im Vordergrund.
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S. 75 - 101, Aufsatz
Christina BinderDer Beitrag untersucht den Einfluss von NGOs im völkerrechtlichen Vertragsschlussverfahren und analysiert am Beispiel der Verhandlungen zum Statut des Internationalen Strafgerichtshofes und dem Übereinkommen über die Rechte von Personen mit Behinderungen, was die Einbindung von NGOs für die Legitimität von völkerrechtlichen Verträgen bedeutet. Er kommt zu dem Schluss, dass die Einbindung von NGOs die Legitimität beider Vertragswerke erhöhte. Die zunehmende Einbindung von NGOs in völkerrechtliche Vertragsschlussverfahren entspricht auch der generell stärkeren Rolle des Individuums im aktuellen Völkerrecht. Demgegenüber gibt es aber auch aus rechtspolitischer Sicht problematische Fälle, wenn etwa NGOs in Vertragsverhandlungen eingebunden werden, die Extrempositionen oder Partikularinteressen vertreten. Dies wird im letzten Teil des Beitrags behandelt.
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S. 103 - 119, Aufsatz
Thomas RauterDie völkerrechtliche Rechtsordnung hat sich von einer staatszentrierten Ordnung, welche die staatlichen Interessen und deren Koordination auf völkerrechtlicher Ebene sichern soll, hin zu einer Gemeinschafts- und Werteordnung entwickelt. Dieser Paradigmenwechsel wurde auch durch die Rechtsprechung von völkerstrafrechtlichen Tribunalen beflügelt. Unter dem Deckmantel der Findung von völkergewohnheitsrechtlichen Strafnormen haben die völkerstrafrechtlichen Tribunale dabei die dogmatischen Unsicherheiten genutzt, die dem Völkergewohnheitsrecht als Rechtsquelle innewohnen, um aktiv Recht zu setzen. Ziel dieses Beitrags ist es, diesen Paradigmenwechsel anhand der Rechtsprechung der völkerstrafrechtlichen Tribunale darzustellen und die richterliche Rechtsetzung anhand von Völkergewohnheitsrecht im Kontext der vorherrschenden Rechtsquellenlehre des Völkerrechts zu beurteilen.
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S. 121 - 168, Aufsatz
Ulrike Köhler / Konrad Bühler / Philip Bittner / Helmut TichyDiese Auswahl aus der aktuellen österreichischen Völkerrechtspraxis wurde nun ein weiteres Mal von Angehörigen des Rechtsdienstes des österreichischen Außenministeriums („Völkerrechtsbüro“, VRB) sowie vom Rechtsberater der Ständigen Vertretung Österreichs in Brüssel, Philip Bittner, zusammengestellt. Wir betrachten unseren Bericht als einen Beitrag zu unserem gegenseitig inspirierenden Dialog mit Wissenschaftlern und mit anderen Praktikern, die im Bereich des Völkerrechts tätig sind. Der Höhepunkt dieses Dialogs ist der alljährliche „Österreichische Völkerrechtstag“; einige der auf dessen 41. Tagung (Mattsee, 9.–11.06.2016) vorgetragenen Beiträge werden ebenfalls in dieser Nummer der ZÖR veröffentlicht. Auch zur europarechtlichen Praxis des VRB wird in dieser Zeitschrift jährlich eine interessante Auswahl publiziert.
Wir danken Catherine Quidenus und Elke Haslinger (beide VRB), die ebenfalls zu dieser Publikation beigetragen haben.
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S. 169 - 183, Aufsatz
András JakabDer Aufsatz zeigt, dass die Rechtsnatur und das daran angeknüpfte Fehlerkalkül der Verwaltungsverordnungen je nach Rechtsanwendungsorgan (ordentliche Gerichte, Verwaltungsgerichte, Verwaltungsgerichtshof, Verfassungsgerichtshof, nachgeordnete Verwaltungsorgane) verschieden sind. Die wichtigsten dogmatischen Thesen (Gleichsetzungsthese, Ausnahmethese, Gehorsamsthese) sind auch im Lichte dieser Spaltung zu verstehen. Dies verkompliziert zwar begrifflich die österreichische Rechtsdogmatik, da es aber einerseits aus dem geltenden positiven Verfassungsrecht folgt, und andererseits zu keiner Rechtsschutzlücke führt, gibt es keinen Grund (trotz allfälliger Kritik) die jetzige Dogmatik abzuändern.