Ansprüche auf Erlass genereller Verwaltungsakte werden in zunehmendem, noch nicht abschätzbarem Ausmaß durch die nationale und europäische Judikatur zuerkannt. Ihre Durchsetzung erfolgt oft mangels anderer Möglichkeiten im Bescheidumweg. Der vorliegende Beitrag untersucht sowohl die dogmatische Begründung der Ansprüche als auch die Wirksamkeit ihres Durchsetzungsmechanismus in Österreich.
- ISSN Online: 1613-7663
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Inhalt der Ausgabe
S. 295 - 316, Aufsatz
Ansprüche auf Erlass genereller Verwaltungsakte und ihre DurchsetzungEntitlements to General Administrative Acts and Their Enforcement
S. 317 - 385, Aufsatz
Siegermacht und Selbstbestimmungsrecht der VölkerVictorious Power and the Peoples’ Right to Self-Determination
Die Habsburgischen und die deutschen Länder waren jahrhundertelang unter dem Dach des Heiligen Römischen Reiches, seit Ende des 15. Jahrhunderts mit dem Zusatz „Deutscher Nation“ trotz mancher Gegensätze verbunden, wobei die Habsburger seit 1440 die römisch-deutschen Könige und die Kaiser des Reichs mit zwei Ausnahmen im 18. Jahrhundert stellen. Als das Alte Reich infolge der Kriegsmanie Napoleons 1806 sein Ende findet, schließen sich die souveränen Fürsten und freien Städte Deutschlands einschließlich des Kaisers von Österreich und der Könige Preußens, Dänemarks und der Niederlande – jeweils nur mit ihren zum Alten Reich gehörenden Gebieten – 1815 in einem „Deutschen Bund“ zusammen, in dessen „Engerem Rat“ Österreich den Vorsitz führt. Nach dem Scheitern der Frankfurter Nationalversammlung, die Grundrechte, aber keinen Staat hervorbringt, bestehen in Preußen wie in Österreich Pläne zu einer Vereinigung in einem „großen Gesamtvaterlande“ um der „Einheit Deutschlands“ willen. Allerdings scheitert dieses Vorhaben zum einen aus Rücksicht auf die vielen nichtdeutschen Länder des Kaisertums Österreich und zum anderen an dem zu erwartenden Widerstand der übrigen europäischen Großmächte. In dieser Situation sieht Bismarck auf dem Wege zu einem einigen Deutschland keine andere Lösung als die eines deutsch-deutschen Krieges, den er beginnt, aber in kluger Voraussicht mit einem moderaten Frieden beendet. So kann das seit 1871 bestehende Deutsche Reich mit Österreich-Ungarn 1879 einen Zweibund schließen, der 1882 zu einem Dreibund durch den Beitritt Italiens wird, das allerdings „Bündnistreue“ nicht italienisieren kann. Dieses Bündnis wird aktiviert, als nach dem Attentat von Sarajewo Serbien ein schroffes Ultimatum Österreich-Ungarns nicht in allen Punkten akzeptiert und Kaiser Franz Joseph am 28.07.1914 Serbien den Krieg erklärt, der sich ungeachtet aller Vermittlungsversuche schnell zu einem europäischen und schließlich zu einem Weltkrieg ausweitet, den letztlich keiner der Beteiligten gewollt hat. Deutschland steht in Bundestreue, die allerdings militärisch eher bescheiden ist, zu Österreich-Ungarn, wobei beide Kaiser einen europäischen Großbrand vermeiden wollten.
Durch den unsauberen Seitenwechsel Italiens 1915 ist Österreich-Ungarn unerwartet in einen Zwei-Fronten-Krieg geraten, den auch Deutschland gegen Frankreich und Russland nicht gewinnen kann, zumal seine Bevölkerung durch die britische Seeblockade ausgehungert wird. Der als Gegenmaßnahme infolge unkluger militärischer Beratung angeordnete uneingeschränkte U-Boot-Krieg Anfang 1917 muss angesichts ziviler amerikanischer Opfer zu einem Kriegseintritt des Heimatstaates wenige Monate später führen. Am Ende bleibt den Mittelmächten nur das Ersuchen um Waffenstillstand und Friedensverhandlungen unter Berücksichtigung des von Präsident Wilson messianisch verheißenen Selbstbestimmungsrechts der Völker und des Ausschlusses von Geheimverhandlungen. Aber gerade diese werden von den Siegern monatelang genutzt, um den Besiegten einen Clemenceau- und keinen Wilson-Frieden aufzuzwingen. Dieser ist jedoch so hart und unerfüllbar, dass der Nationalökonom Keynes als Mitglied der britischen Delegation Paris verlässt und der amerikanische Kongress sowohl den Vertrag von Saint-Germain als auch den von Versailles ablehnt, weshalb später mit den Mittelmächten gesonderte Verträge zustande kommen.
Schmerzlich sind für beide Staaten die Gebietsverluste, die von dem einstigen Österreich-Ungarn nur noch ein Deutschösterreich belassen, das sich in seiner damaligen Situation mit dem Deutschen Reich vereinen will. Dem steht jedoch das in beiden Verträgen verankerte Anschlussverbot entgegen, das die Sieger noch durch ein Verbot der Bezeichnung „Deutschösterreich“ und für Deutschland durch einen Eingriff in eine Verfassungsklausel verschärfen, die eine Regelung für den Fall eines Anschlusses trifft. Auf diese evidente Missachtung des Selbstbestimmungsrechts hat schon Hans Kelsen mit Bitterkeit hingewiesen.
Narben hinterlassen die übermäßigen Gebietsabtretungen, die auch Teile mit deutscher Bevölkerung betreffen. Auf besondere Verbitterung stößt die „Verschacherung“ Südtirols an Italien als Prämie für dessen Bündnisbruch, zumal dieses Gebiet deutschsprachig ist und in Kultur und Geschichte keine Gemeinsamkeiten mit Italien aufweist. Mit diesem Verhalten setzt sich Wilson in Widerspruch zu seinen Friedensversprechen, die er als Kriegführender zehn Monate nach Kriegsbeginn abgegeben hat. Danach sollten „Völker und Provinzen nicht von einer Staatshoheit zur anderen verschachert“ und Gebietsfragen „im Interesse und zugunsten der beteiligten Bevölkerungen“ gelöst werden. Wenn auch Annexionen nach damaligem Völkerrecht nicht verboten waren, genießen doch seit dem Westfälischen Frieden alle Staaten gleichermaßen äußere Souveränität, die jedenfalls eine erzwungene neue gesamteuropäische Gebietsverteilung, wie sie die Pariser Vororte-Verträge vorsehen, ausschließt.
Sicherlich ist Staatengleichheit bei Friedensverhandlungen in der Regel nicht gegeben, aber schon der Begriff des Vertrags stellt klar, dass er durch für beide Parteien verträgliche Regelungen und nicht durch einseitiges Diktat einer Siegermacht zustande kommt. Gewaltfrieden sind keine Rechtsfrieden, und dieser Makel haftet den Verträgen von Saint-Germain und Versailles an.
S. 387 - 394, Aufsatz
Ein gleichheitsrechtsdogmatischer ZwischenrufAn Interjection from an Equality Rights Perspective
Das Begriffspaar „allgemeine/besondere Gleichheitssätze“ vermag die zwischen den verschiedenen Gleichheitssätzen bestehenden tatbestandlichen Unterschiede nicht hinreichend genau abzubilden. Ratsam ist stattdessen eine Einteilung anhand der Beschreibungsgrößen „Anknüpfungs(un)abhängigkeit“ und „sachliche (Un-)Begrenztheit“ von Gleichheitssätzen. Die Anerkennung der sogenannten verbotenen Gleichbehandlung als Möglichkeit, den Tatbestand von Gleichheitssätzen wie Art 7 Abs 1 S 1 B-VG, Art 2 StGG 1867, Art 8 Abs 1 BV Schweiz, Art 3 Abs 1 GG oder Art 20 GRCh zu verwirklichen, ist dogmatisch nicht überzeugend. Jede Gleichbehandlung kann durch einen Wechsel zwischen absoluter und relativer Betrachtungsweise oder einen Wechsel der Vergleichsperson als Ungleichbehandlung gefasst werden.
Obwohl das Gnadenrecht seit jeher Bestand von Rechtsordnungen ist, liegt diesbezüglich im Völkerstrafrecht eine Leerstelle vor. Bei näherem Besehen zeigt sich, dass sich auch hier nennenswerte normative Ressourcen für ein Gnadenregime finden und dass ein solches relevante komplementäre und korrektive Funktionen gegenüber der internationalen Strafjustiz erfüllen kann. Das unreflektierte Beibehalten des status quo stellt jedenfalls kein überzeugendes Vorgehen dar. Vielmehr ist es an der Zeit, eine ernsthafte Debatte über ein genuines (dh nicht nur individuell-humanitäre Erwägungen, sondern Gründe der „good policy“ und des Gemeinwohls berücksichtigendes) Gnadenrecht im Völkerstrafrecht zu führen. Hand in Hand damit ist zu klären, wer für die Handhabung eines derartigen Gnadenrechts verantwortlich zeichnen soll.
Der grenzüberschreitende Einsatz im Katastrophenfall ist ein rechtlich wenig durchdrungenes Gebiet. Regelungen finden sich in der Rechtsordnung trotz diverser völkerrechtlicher Abkommen nur verstreut und am Rande. Die praktische Bedeutung des grenzüberschreitenden Einsatzes besonders im Naturgefahrenmanagement – und erst recht in Zeiten des Klimawandels – ist für Alpinregionen, hier am Beispiel der Europaregion Tirol – Südtirol – Trentino, groß.
Es ist zu bezweifeln, ob Regelungen auf Staatsvertragsebene den für die jeweiligen Situationen angepassten Rahmen liefern können. Ein Länderstaatsvertrag Tirol – Südtirol, allenfalls unter Einschluss des Trentino, ist denkbar, wäre aber angesichts der eingeschränkten Kompetenzen insbesondere auf Tiroler Seite jedenfalls unvollständig. Desgleichen kann auf der Ebene des EVTZ Europaregion Tirol – Südtirol – Trentino wenig bewirkt werden.
Sinnvoll erschiene demgegenüber eine abgestimmte Vorgangsweise der Partner, in ihren Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Katastrophenmanagements auch für den grenzüberschreitenden Einsatz, soweit Regelungen in ihre Kompetenzen fallen, festzuschreiben.
Der Beitrag befasst sich mit dem sogenannten differenzierten Regionalismus in der italienischen Verfassung, die seit 1948 durch einen asymmetrischen Regionalismus in Form von Regionen mit einheitlicher Gesetzgebungs- und Verwaltungsautonomie (sogenannte Regionen mit Normalstatut) und Regionen mit Sonderautonomie charakterisiert wurde. Die Verfassungsreform von 2001 eröffnete den Regionen mit Normalstatut die Möglichkeit, auf der Grundlage des neu eingeführten Art 116 Abs 3 der italienischen Verfassung weitere besondere Formen und Bedingungen an Autonomie im Verhandlungswege mit dem Staat zu erhalten und in Folge eine differenzierte Ausgestaltung ihrer Gesetzgebungs- und Verwaltungsautonomie zu erlangen. Ausgehend von den Hintergründen für die Einführung des differenzierten Regionalismus wird ein Überblick über Entwicklung, Inhalt und Umsetzungsstand dieser weiteren Form des asymmetrischen Regionalismus gegeben und auf kritische Aspekte in der Verwirklichung eingegangen. Ein Blick auf das Verhältnis des differenzierten Regionalismus („regionalismo differenziato“) und den Sonderautonomien sowie Überlegungen zu seiner Bedeutung für den italienischen Regionalismus schließen den Beitrag ab.
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