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ZOER

Heft 1, März 2013, Band 68

eJournal-Heft
  • ISSN Online: 1613-7663

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Inhalt der Ausgabe

S. 1 - 57, Aufsatz

Anne Peters

Das Gründungsdokument internationaler Organisationen als VerfassungsvertragThe Founding Document of International Organizations as a Constitutional Treaty

Die Gründungsdokumente internationaler Organisationen haben eine Doppelnatur: Sie sind Vertrag und Verfassung zugleich. Sie weisen in der Regel sowohl kontraktuelle als auch konstitutionelle Bestandteile auf, haben also zwei Facetten, von denen im konkreten Fall die eine oder die andere im Vordergrund stehen kann.

Hierbei ist „Vertrag“ eine Chiffre für ein „horizontales“ Rechtsinstrument mit strikter Inter partes-Wirkung, in Abhängigkeit vom Willen der Erzeuger, die sich hiermit lediglich (temporär begrenzt) selbst binden. Demgegenüber ist „Verfassung“ eine Chiffre für einen „vertikalen“ Rechtsakt mit Erga omnes-Wirkung, der sich ein Stück weit autonom von den Erzeugern entwickeln kann. Die vertraglichen Elemente des Gründungsdokuments bewirken, dass das Konsensprinzip maßgeblich bleibt und dass die Organisation zu einem gewissen Grad von den Mitgliedern abhängt. Die verfassungsartigen Elemente sorgen demgegenüber für einen relativen Selbststand, für Dynamik, Flexibilität und Evolutionsoffenheit der Organisation. Die Verfassungs-Facette erfordert es, bei der Auslegung und Änderung des Gründungsdokuments und für die Beurteilung von Vorbehalten zu ihm graduell von den Regeln des allgemeinen Völkervertragsrechts abzuweichen.

Eine besondere Erklärungskraft hat das Verfassungsparadigma für die Analyse der informellen Änderungen von Gründungsdokumenten durch die Praxis der Mitgliedstaaten oder der Organe. Fasst man nämlich Gründungsdokumente als Verfassung auf, sind modifikative Praktiken jenseits der formellen Revisionsklauseln nur als Revolution verstehbar. Informelle Änderungen sind so gesehen in legitimatorischer Hinsicht problematisch, zumal sie zentrale Verfassungsprinzipien der Organisation selbst unterminieren.

Zwar können konkrete Probleme der Auslegung oder der Änderung des Gründungsdokuments nicht durch eine begriffsjuristische Etikettierung des Dokuments als Vertrag oder als Verfassung „gelöst“ werden. Die zutreffende Gewichtung der jeweils konkreten Bedeutung der genannten Facetten kann jedoch einen Beitrag zur systemkonformen und interessengerechten Handhabung der Gründungsdokumente internationaler Organisationen leisten.

S. 59 - 85, Aufsatz

Niamh Moloney

The European Securities and Markets Authority: a perspective from one year on

Dieser Beitrag befasst sich mit der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority – ESMA), welche im Januar 2011 als Teil der Europäischen Antwort auf die Weltwirtschaftskrise eingerichtet wurde. Er untersucht die ihr übertragenen, gewissermaßen gesetzgebenden und überwachenden Befugnisse und betrachtet, wie diese Befugnisse im ersten Jahr des Bestehens der ESMA operiert haben. Er kommt zu dem Schluss, dass die ESMA seit ihrer Gründung einen signifikanten Beitrag zur Europäischen Finanzmarktsteuerung geleistet hat, dass ihre gleichsam gesetzgebenden Befugnisse ihre Effektivität in der Praxis bestens bewiesen haben, und dass die Bandbreite der aufsichtsrechtlichen Befugnisse der ESMA vorsichtig eingesetzt wurde.

S. 87 - 110, Aufsatz

Tímea Drinóczi

Constitutional dialogue theories – extension of the concept and examples from Hungary

Dieser Aufsatz unternimmt den Versuch einer Aufzählung und Systematisierung von hauptsächlich in common law Staaten entwickelten Dialogtheorien. Weiters sollen mögliche andere Arten von Verfassungsdialog und dialogischer Interaktion in civil law Staaten Beachtung finden. Vor dem Hintergrund des common law entwickelte Theorien des Verfassungsdialogs behandeln das Problem der richterlichen Kontrolle von durch demokratische Mehrheiten gesatztem Recht – die sogenannte counter-majoritarian difficulty –, die korrekte normative Erfassung der Rolle der Judikative in einem demokratischen Verfassungsstaat und die Ermittlung der Bedeutung von Verfassungsrecht, insbesondere in der Auslegung von Menschenrechten. Die Hauptfragen des Verfassungsdialogs in einem common law System (die counter-majoritarian difficulty und die Rolle der Judikative) stellen jedoch in einem civil law System im Großen und Ganzen kein Problem dar, insoferne eine Theorie der richterlichen Normenkontrolle im Sinne von Kelsen akzeptiert wird. Dagegen wird die richtige Auslegung von Verfassungsrecht in demokratischen Rechtsstaaten auf jeden Fall angestrebt. Aus genau diesem Grund kann eine modifizierte Version der Idee des Verfassungsdialogs in der Betrachtung der bestehenden Dialogmechanismen in civil law Staaten zur Anwendung kommen. Der Verfassungsdialog wird als ein komplexer Entscheidungsfindungsprozess im demokratischen Verfassungsstaat definiert. Davon ausgehend ist es möglich, die um die Rolle der Justiz kreisenden Verfassungsdialogtheorien aus common law Kontexten und die Verfassungsdialogtheorien, die sich mit der Ebene der gesetzlichen Regulierung befassen, als miteinander verknüpfte konstitutive Elemente dieses Prozesses zu begreifen. In demokratischen Rechtsstaaten findet ein derartiger Verfassungsdialog statt. Ein solcher Verfassungsdialog muss jedoch nicht notwendigerweise dem substanziellen oder materiellen Gehalt eines demokratischen Verfassungsstaates folgen. Vielmehr kann unter bestimmten Umständen ein Transfer in einen stärker formalen Konstitutionalismus stattfinden, was zu einer Erosion der Demokratie und zu einem formaleren Verfassungsdialog führt. Es besteht die Gefahr, dass ein derartiger Prozess seit dem Jahr 2010 in Ungarn in Gang gekommen sein könnte.

Die vorliegende Arbeit benennt die Theorien des Verfassungsdialogs und anderer dialogischer Interaktionen, die in der Forschung beschrieben worden sind (Abschnitt I.A.) und zeigt auf, wie diese Theorien auf weitere Verfassungsorgane und andere (verfassungsgemäße) Verfahren in demokratischen Verfassungsstaaten ausgeweitet werden können (Abschnitt I.B.). Schließlich werden Beispiele von Verfassungsdialog auf der Ebene der (Verfassungs-)Gesetzgebung aus der jüngsten Verfassungsentwicklung in Ungarn dargestellt (Abschnitt II.3).

S. 111 - 124, Aufsatz

Peter Bußjäger

Die Mitwirkung der Länder beim Abschluss von StaatsverträgenThe Participation of the States in the Conclusion of International Treaties

Mit der B-VG-Novelle BGBl I 2/2008 wurden auch die Mitwirkungsrechte der Länder beim Abschluss von Staatsverträgen neu geregelt. Seither ist es den Ländern ähnlich zu Art 23d Abs 2 B-VG möglich, den Bund mittels einer einheitlichen Stellungnahme zu binden, sofern der Staatsvertrag Durchführungsmaßnahmen im Sinne des Art 16 B-VG erforderlich macht oder den selbständigen Wirkungsbereich der Länder in anderer Weise berührt. Diese Bestimmung wirft eine Reihe von Rechtsfragen auf, wie beispielsweise, unter welchen Voraussetzungen von einer einheitlichen Stellungnahme gesprochen werden kann sowie die Abgrenzung gegenüber Vorhaben, die unter das Regime des Art 23d B-VG fallen. Der vorliegende Beitrag geht diesen und anderen Fragen nach und vergleicht die österreichische Verfassungsrechtslage mit jener anderer europäischer Bundesstaaten.

S. 125 - 138, Aufsatz

Martin Paar

Sind Staatsanwälte Organe der Gerichtsbarkeit? – Eine Frage der Auslegung!Are Public Attorneys Agents of Jurisdiction? – A Question of Interpretation

Mit der Bundes-Verfassungsnovelle 2008 wurde im B-VG im Dritten Hauptstück unter Punkt B „Gerichtsbarkeit“ Art 90a B-VG eingeführt. Nach dieser Bestimmung sind Staatsanwälte Organe der Gerichtsbarkeit und haben diese in Verfahren mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlungen Ermittlungs- und Anklagefunktion wahrzunehmen. Über die Bedeutung des Art 90a B-VG wird in der Wissenschaft heftig diskutiert. Während für die einen, entsprechend dem klaren und eindeutigen Wortsinn, der nicht weiters auszulegen ist, Staatsanwälte Organe der Gerichtsbarkeit sind, meinen die Vertreter der anderen Auslegungstheorie, dass unter Berücksichtigung des Sprachgebrauchs und den in der Kommunikation herrschenden Sprachregeln, Staatsanwälte weiterhin Organe der Verwaltung sind. Die hier vorliegende Untersuchung greift diese wissenschaftliche Debatte auf, um die dahinter stehende Frage der wissenschaftlichen Auslegungsmethode näher zu analysieren und an Hand einer eigenen Standortbestimmung die Frage der Organeigenschaft der Staatsanwälte zu beantworten.

S. 139 - 181, Aufsatz

Gregor Schusterschitz / Philip Bittner / Helmut Tichy

Recent Austrian practice in the field of international law Report for 2012

Diese Auswahl aus der aktuellen österreichischen Völkerrechtspraxis wurde nun ein weiteres Mal von Angehörigen des Rechtsdienstes des österreichischen Außenministeriums („Völkerrechtsbüro”, VRB) zusammengestellt. Wir sehen sie als Beitrag zu unserem ergiebigen Dialog mit Wissenschaftlern und mit anderen Praktikern, die sich für das Völkerrecht interessieren. Der Höhepunkt dieses Dialogs ist der alljährliche „Österreichische Völkerrechtstag”; die auf dessen 37. Tagung (Augsburg, 17.-19. Mai 2012) vorgetragenen Beiträge werden bald veröffentlicht werden. Auch zur europarechtlichen Praxis des VRB wird in dieser Zeitschrift jährlich eine interessante Auswahl publiziert.

Dieser Bericht war neuerlich eine „Weihnachtspausen-Arbeit“. Wir möchten unseren Kollegen Elisabeth Tichy-Fisslberger, Ulrike Köhler, Isabell Ladiges und Michael Haider danken, die zu dieser ebenfalls beigetragen haben.

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