Der Beitrag beschäftigt sich mit dem Beitritt der Europäischen Union (EU) zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) aus einer globalen Rechtsperspektive. Zunächst erfolgt ein Rückblick auf die Entwicklung der EU zu einer vollständigeren Menschenrechtsorganisation und auf ihre Wechselbeziehungen zum System der EMRK; der Beitrag betrachtet die mögliche Konkurrenz zwischen der EU-Grundrechtecharta und der EMRK und untersucht die Hauptmerkmale des Europäischen Menschenrechtsregimes, wobei Aufschluss über die Beziehung zwischen dem Menschenrechtssystem der EU und des Europäischen Menschenrechtsrats sowie zwischen dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg gegeben werden soll. Der Beitrag beschäftigt sich dann mit den wichtigsten Funktionen des kürzlich angenommenen Entwurfs des Beitrittsvertrages (Draft Accession Treaty, DAT). Zuletzt werden die Auswirkungen des Beitritts der EU zur EMRK untersucht – sowohl aus innereuropäischer als auch internationaler Rechtsperspektive – und einige allgemeine Anmerkungen gemacht. Der Beitrag kommt zum Schluss, dass der Beitritt zu einer erheblichen Rechtsentwicklung für die EU selbst, ihren internationalen Haftungskontext und das insgesamt wachsende, mehrstufige und integrierte Menschenrechtssystem führt.




- ISSN Online: 1613-7663
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Inhalt der Ausgabe
S. 3 - 32, Aufsatz
European Union accession to the European Convention on Human Rights. Regulating the multi-layered European human rights space and pushing for more international liability for the Union
Wie ist eine EU-Richtlinie umzusetzen, die potenziell österreichischem Verfassungsrecht widerspricht? Seit dem VfGH-Erkenntnis VfSlg 18.642/2008 und dem EuGH-Urteil C-399/11 (Melloni) scheint eine Umsetzung durch einfaches Gesetz möglich. Damit würde der unionsrechtliche Anwendungsvorrang von den Voraussetzungen für die unmittelbare Anwendbarkeit entkoppelt und sich zu einem holistischen Vorrangprinzip entwickeln, das alle Konfliktfälle zwischen Unionsrecht und innerstaatlichem Recht entscheidet.
Die Republik Österreich als Gesamtstaat muss sich vor dem EuGH auch für Vertragsverletzungen der Länder und Gemeinden verantworten. Innerstaatlich wird diese Außenverantwortlichkeit der Republik durch Kostentragungs- und Ersatzvornahmeregelungen ausgeglichen. Der Fokus des (Verfassungs-) Gesetzgebers liegt dabei vor allem auf durch die Länder verursachten Unionsrechtswidrigkeiten. Allerdings können auch von den Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich zu setzende Handlungen mit dem Unionsrecht konfligieren. Dabei kann das Gemeindeaufsichtsrecht einen wichtigen Beitrag leisten, um entstandenen Konflikte (zugunsten des Unionsrechts) zu bereinigen. Unterlassen die Länder die Beseitigung von Unionsrechtswidrigkeiten durch Aufsichtsmittel, so geht die Zuständigkeit zur Ausübung der Aufsicht nach Feststellung einer Vertragsverletzung durch den EuGH auf den Bund über.
S. 91 - 122, Aufsatz
The European Court of Human Rights’ Jurisprudence on Austria 2013
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied 2013 in 15 Urteilen über Individualbeschwerden gegen Österreich, wobei in zehn Urteilen eine oder mehrere Konventionsverletzungen festgestellt wurden. Die Beschwerden betrafen verschiedenste Bereiche wie etwa Non-Refoulement-Fälle nach Artikel 3 (die meisten davon im Rahmen des „Dublin-Regimes“), verschiedene „fair trial“-Fälle (Verfahrenslänge, Entscheidung durch ein Tribunal, Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung, Verletzung des Grundsatzes der Waffengleichheit), Fragen des Privat- und Familienlebens (Kindesobsorge nach der Brüssel IIa-Verordnung, Stiefkindadoption in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, Verweigerung der Berichtigung des Strafregisters), der Meinungsfreiheit (Recht auf Informationsempfang durch eine NGO, Abwägung von Pressefreiheit und Privatleben in Bezug auf einen anonymen Brief) sowie des Eigentumsschutzes (Einfluss der Staatenimmunität auf die individuelle Verpflichtung zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen, Verweigerung der Familienbeihilfe für außerhalb Österreichs lebende Kinder). Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über diese Urteile und zeigt besonders die zunehmende Verschränkung des Konventionsrechtsschutzsystems mit dem EU-Recht auf.
S. 123 - 172, Aufsatz
Recent Austrian practice in the field of international law Report for 2014
Diese Auswahl aus der aktuellen österreichischen Völkerrechtspraxis wurde nun ein weiteres Mal von Angehörigen des Rechtsdienstes des österreichischen Außenministeriums („Völkerrechtsbüro“, VRB) zusammengestellt. Statt Gregor Schusterschitz, der jetzt Österreichs Mitglied im EU-Ausschuss der Ständigen Vertreter I in Brüssel ist, sind nun Konrad Bühler und Ulrike Köhler zu unserem Redaktionsteam gestoßen. Wir betrachten unseren Bericht als einen Beitrag zu unserem ergiebigen Dialog mit Wissenschaftlern und mit anderen Praktikern, die sich für das Völkerrecht interessieren. Der Höhepunkt dieses Dialogs ist der alljährliche „Österreichische Völkerrechtstag“; die auf dessen 39. Tagung (Klosterneuburg, 22. – 24. Mai 2014) vorgetragenen Beiträge werden bald veröffentlicht werden. Auch zur europarechtlichen Praxis des VRB wird in dieser Zeitschrift jährlich eine interessante Auswahl publiziert.
Dieser Bericht war neuerlich eine „Weihnachtspausen-Arbeit“. Wir möchten unseren Kolleginnen Karin Traunmüller und Viktoria Wagner danken, die ebenfalls zu dieser beigetragen haben.
S. 173 - 185, Aufsatz
Das Recht auf ein unbeschwertes Zusammenleben als Schutzziel der EMRK? Kritische Anmerkungen zu S.A.S. gegen Frankreich, EGMR 01.07.2014, 43835/11
In der Rechtssache S.A.S./FR entscheidet der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte über die Zulässigkeit eines Vermummungsverbotes in der Öffentlichkeit. In einer ungewöhnlichen Begründung hält er fest, dass es zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, nämlich zum Schutz des Rechts auf ein unbeschwertes Zusammenleben, notwendig und verhältnismäßig sei. Ein solches Recht kann aber weder der EMRK noch der französischen Rechtsordnung entnommen werden. Eine Auseinandersetzung mit Judikatur und Literatur zu den Schutzzielen der Art 8 bis 11 EMRK zeigt außerdem, dass dieses Recht auf ein unbeschwertes Zusammenleben auf ein Recht auf die Verteidigung der Ordnung hinausliefe. Dieses Schutzziel schließt der Gerichtshof aber – ohne weitere Erklärung – aus. Im Ergebnis ist die Begründung des Gerichtshofs in sich unschlüssig und weicht erheblich von der bisherigen Rechtsprechung ab.
S. 187 - 213, Aufsatz
Unionsbürgerschaft, (fehlendes) Aufenthaltsrecht und Sozialleistungen – Überlegungen zu Dano, EuGH 11.11.2014 Rs C-333/13
In der Rs Dano wurde der EuGH mit der Frage befasst, ob ein genereller Ausschluss von Personen, die sich mit dem Zweck der Erlangung von Sozialleistungen nach Deutschland begeben, vom Bezug der Grundsicherung für Arbeitssuchende („Hartz IV“) mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Der EuGH qualifiziert einen solchen Leistungsausschluss als mit den primär- und sekundärrechtlichen Gleichbehandlungsgeboten in Einklang stehend. Die vorliegende Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass die Entscheidung anders ausfallen hätte können und zeigt Unstimmigkeiten in der Argumentation des EuGH auf.
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