1992 erschien Francis Fukuyamas Buch „Das Ende der Geschichte und der letzte Mensch“. Als Deutung des Verschwindens der sozialistischen Alternative zum demokratisch gezähmten Kapitalismus ist es bis heute umstritten geblieben. Ist mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion die Weltgeschichte wirklich an ihr Ende gekommen? Wenn dem so wäre, könnte das Ende selbst wieder zu Ende gehen? In Erinnerung an Fukuyamas Werk werden die diesbezüglichen Überlegungen mit Blick auf die mögliche Wiederkehr der avantgardistischen Politik aufgegriffen und weitergeführt.
- ISSN Online: 1613-754X
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Inhalt der Ausgabe
Die Diskussion rund um die Impfpflicht bringt eine Kategorie der Staatsaufgaben in Erinnerung, bei der Eingriffe in die Entscheidungen der Bürger ökonomisch legitimiert werden – meritorische Güter. Die bekanntesten Beispiele sind etwa die Schulpflicht oder die gesetzliche Altersvorsorge. Die theoretischen Grundlagen der Rechtsökonomie lassen aber die Eingriffsnotwendigkeiten bei meritorischen Gütern problematisch erscheinen. Bezüglich der Grundrechtsnormen von der Bundesverfassung über das Staatsgrundgesetz bis zur Europäischen Menschenrechtskonvention scheint das weniger strikt zu gelten.
S. 14 - 23, Forum
Klimakrise: Konflikte um das Wasser und ihre rechtliche Einordnung
Aufgrund stetig zunehmender Erwärmung der Erde im Zuge des Klimawandels rückt die Ressource Wasser auch in Europa mehr denn je in den politischen Fokus und deren Nutzung wird künftig auch in unseren geografischen Breiten vermehrt zu Spannungsverhältnissen führen. Aus diesem Grund ergeben sich auch rechtliche Problematiken, die schon jetzt ein zunehmendes Tätigwerden der einzelnen Staaten und internationalen Organisationen zum Schutz der Wasserressourcen erfordern. Diesbezüglich ist besonders die Behandlung verfassungsrechtlicher Fragen iSd Grundrechtsschutzes und folglich die einfachgesetzliche Ebene, hinsichtlich privat- und öffentlich-rechtlicher Fragen, von Interesse. Aus diesem Grund widmet sich der vorliegende Aufsatz der rechtlichen Behandlung des Gutes Wasser und geht dabei auch auf rechtspolitische Thematiken ein, um abschließend einen Vorschlag de lege ferenda iSv Nachhaltigkeitsinteressen und Garantien der Menschenrechte zu unterbreiten.
S. 25 - 37, Forum
Automatisierung, Algorithmen und künstliche Intelligenz in der öffentlichen Verwaltung. Eine Positionsbestimmung
Künstliche Intelligenz und andere Algorithmen-basierte Systeme finden immer mehr Verwendung auch in der öffentlichen Verwaltung. Sie können ihre Arbeit erleichtern und verbessern, bringen aber auch neue Risiken mit sich. Der Beitrag präsentiert verschiedene Anwendungsbeispiele, diskutiert die Grundprobleme und die Regelungsbedürfnisse, die der Einsatz der neuen Techniken gerade in der Verwaltung erzeugt, und behandelt ausgearbeitete Vorschläge, insbesondere die Vorschläge für eine EU-Verordnung für künstliche Intelligenz und Musterregeln für eine Folgenabschätzung des European Law Institute. Insgesamt geht es weniger um eine genaue Wiedergabe der einzelnen Tagungsbeiträge als um ihre Integration zu einer Zwischenbilanz: Wo stehen wir in einer sehr dynamischen Entwicklung?
Zur Erfüllung ihrer Aufgaben und vor allem zur Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung sind die Abgabenbehörden seit jeher auf die Mitwirkung nicht nur der Steuerpflichtigen selbst sondern auch qualifizierter Dritter angewiesen. Begrenzte staatliche Ressourcen haben es auch seit jeher erforderlich gemacht, Kontrollhandlungen nach Maßgabe einer Risikobewertung zu setzen oder eben nicht zu setzen. Der Einsatz von Datenverarbeitungstechnologien und die Kooperation mit technologiebasierten privaten Akteuren gekoppelt mit Risikomanagementsystemen, die auf Basis von Machine-Learning funktionieren, sind mit hoher Wahrscheinlichkeit geeignet, die Effizienz und die Effektivität des Abgabenvollzuges zu steigern. Sie werden auch eingesetzt. Studien und Berichte der OECD dokumentieren, dass es im Bereich des Steuerrechts eine große Vision gibt. Dass sie bereits in Umsetzung begriffen ist, dokumentiert dieser Beitrag. Dass die Umsetzung rechtlich und vor allem grundrechtlich unzureichend reflektiert und eingehegt wird, wird deutlich gemacht.
Der Beitrag betrachtet Regelungen bzw Regelungsvorschläge zum Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Verwaltung aus Kanada und dem US-Bundesstaat Washington. Im Vergleich zur geplanten EU-KI-Verordnung ist auffällig, dass die Regelungen an „automated decision-making“ statt Künstliche Intelligenz anknüpfen und Folgenabschätzungen als zentrales Instrument vorsehen.
S. 60 - 73, Forum
Artificial Intelligence in Italian Public Administration. Challenges, case studies and regulatory perspectives
In Italy, the employment of AI for decision-making in the context of administrative procedures is increasingly common, being based on the claimed gains in efficiency and neutrality. Local and central public administrations use AI to streamline not only their services to citizens, but also their supervisory activity, eg, in the detection of money laundering or in their controls against tax evasion. However, to date, the use of AI by Public Administrations in Italy is only recognised at the level of policy strategies or, at most, in highly delimited regulatory interventions, while a specific regulatory framework is still missing. Moreover, although robotic decision-making has repeatedly been the subject of administrative case law, conflicting interpretations have taken place over the past few years.
Starting from these assumptions, the paper aims at analysing the most relevant experiences of AI implementation by Italian Public Administrations, in order to highlight the main legal issues related to them and test their impact on the fundamental principles of administrative action. This analysis is intended to put forward some reflections on the prospects of regulating the application of AI in Public Administrations, especially for decision-making.
S. 74 - 92, Abhandlung
Das Klimaschutzprinzip im BVG Nachhaltigkeit: Ein schlafender Riese
Das BVG Nachhaltigkeit enthält ein Klimaschutzprinzip. Entgegen anderslautenden Auffassungen in Literatur und Rechtsprechung ist dessen normative Kraft keineswegs gering. Richtig verstanden führt es zur Verfassungswidrigkeit klimaschädlicher Gesetze in Österreich. Es ist, pathetisch formuliert, ein schlafender Riese.
Art 9 EUV und Art 20 AEUV erkennen allen Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Union den Status der Unionsbürgerschaft zu. Obwohl die Regelung des Erwerbes und Verlustes der Staatsangehörigkeit nach dem allgemeinen Völkerrecht und auch nach den Intentionen der Vertragsstaaten in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt, ist bei dieser Regelung nach der ständigen Rsp des EuGH das Unionsrecht zu beachten, wobei der EuGH für jene Fälle, in denen der Verlust der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates auch zum Verlust der Unionsbürgerschaft führt, Schranken für die Regelungsbefugnis der Mitgliedstaaten entwickelt hat. Der vorliegende Beitrag analysiert diese Rsp und erörtert verschiedene Konsequenzen derselben sowie noch offene Fragen.
S. 118 - 128, Abhandlung
Repräsentative Demokratie und Wahlrechte der UnionsbürgerInnen auf EU- und auf nationaler Ebene
Die demokratischen Grundsätze der EU (Art 9 und 10 EUV) wirken sich auf die Wahlrechte der UnionsbürgerInnen aus. Da sich die repräsentative Demokratie in der EU sowohl auf die Wahlen zum Europäischen Parlament als auch auf die Entsendung demokratisch gewählter Vertreter der Mitgliedstaaten stützt, müssen nicht nur die EU-rechtlichen, sondern auch die nationalen Wahlvorschriften das Prinzip der demokratischen Gleichheit beachten. Daher könnten auch UnionsbürgerInnen, die von Ihrer Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, Wahlrechte in den Mitgliedstaaten zu gewähren sein, und zwar nicht nur auf kommunaler, sondern auch auf regionaler und zentraler Ebene. Das ist insbesondere für Österreich relevant, wo eine Repräsentationslücke entstanden ist, weil eine stetig zunehmende Zahl der EinwohnerInnen aufgrund der Staatsangehörigkeit vom Wahlrecht ausgeschlossen ist.
S. 129 - 133, Abhandlung
Bundespräsident und Einberufung des Nationalrats zu außerordentlichen Tagungen
Die Frage, ob die Einberufung einer außerordentlichen Tagung des NR durch den BPräs nach Art 28 Abs 2 Satz 1 B-VG eines Vorschlags der BReg oder des von ihr ermächtigten BM iSd Art 67 Abs 1 B-VG bedarf, wird in der Lehre seit knapp 100 Jahren unterschiedlich beantwortet. Der vorliegende Aufsatz versucht, diesen Rechtsstreit einer befriedigenden Lösung zuzuführen.
Angesichts der rezenten Entscheidung des US Supreme Courts Dobbs v Jackson Women’s Health, in welcher er den über 50 Jahre alten Präzedenzfall Roe v Wade kippte, blickt dieser Beitrag auf die österreichische Verfassungsjudikatur zum Schwangerschaftsabbruch zurück. Nach einer Darstellung der Rechtsprechung des US-Supreme Courts und des VfGH zum Thema Schwangerschaftsabbruch, werden verschiedene Erklärungsansätze für die unterschiedlichen Herangehensweisen der Gerichte dargelegt. Indes werden das Verhältnis von Politik und Recht, sowie die Rollen der Verfassungsgerichte in der jeweiligen Rechtsordnung beleuchtet. Zuletzt wird diskutiert, ob das Recht auf Abtreibung auch in Österreich als Grundrecht verankert werden könnte.