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RPA

Heft 3, Juni 2020, Band 20

eJournal-Heft
  • ISSN Online: 2309-7523

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Inhalt der Ausgabe

S. 134 - 138, Judikatur

Nina Hattinger / Berthold Hofbauer

Keine vergaberechtliche Gleichwertigkeit der Umweltzertifizierungen EU-Ecolabel und ISO 14001:2015

Ausschreibungsunterlagen und alle anderen Festlegungen und Erklärungen sind nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen.

Werden in den Ausschreibungsunterlagen bestimmte Zertifizierungen „oder gleichwertig“ verlangt, muss der Auftraggeber abweichende Zertifizierungen nur dann anerkennen, wenn es sich um gleichwertige Gütesiegel handelt. Bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit ist insbesondere auf den übereinstimmenden Zertifizierungsgegenstand abzustellen (Produktionsprozess, Produkt, Betrieb etc).

Im Zuge der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Ausscheidensentscheidung kann die Vergabekontrolleinrichtung auch andere Ausscheidensgründe als der Auftraggeber heranziehen.

Die Einheitliche Europäische Eigenerklärung ersetzt vorläufig den Nachweis der Eignung zum relevanten Zeitpunkt. Der Bieter erspart sich dadurch allerdings nicht das Beschaffen der Nachweise an sich, sondern lediglich das Übermitteln an den Auftraggeber. Die Nachweise müssen jedenfalls spätestens zum relevanten Zeitpunkt vorhanden sein.

S. 139 - 144, Judikatur

Stefan Reisinger / Stefan Mathias Ullreich / Judith Pallitsch

Täglich grüßt das Murmeltier beim Hygienepapier – Über die Kalkulation einer Rahmenvereinbarung

Es ist grundsätzlich Sache des Auftraggebers, die Mindestanforderungen der Leistung, die er beschaffen will, festzulegen.

Die bloße Mutmaßung, wonach zB ein bisher tätiger Unternehmer bei der Preisgestaltung spekulieren könnte und dass die Auftraggeberin allenfalls in rechtswidriger Weise von einer vertieften Angebotsprüfung absehen könnte, vermag die Rechtswidrigkeit von Ausschreibungsunterlagen nicht zu begründen.

Das BVergG 2018 sieht ausdrücklich vor, dass im Zuge eines Vergabeverfahrens auf Umweltaspekte Bedacht zu nehmen ist. Dies kann ua durch die Vorgaben von Mindestanforderungen und die Gestaltung von Zuschlagskriterien erfolgen.

Ein Bieter hat beim Abschluss einer Rahmenvereinbarung auch einzuplanen, dass es zu überhaupt keinem Leistungsabruf kommt. Bei einer Rahmenvereinbarung hat ein Bieter sohin zweifellos ein „Mehr“ an Unwägbarkeiten als bei einem „regulären“ Auftrag zu berücksichtigen.

Der Umstand, dass ein Auftraggeber keinen definitiven Leistungsteil vorsieht, hat keine Vergaberechtswidrigkeit zur Folge.

Gemäß § 28 Abs 1 BVergG 2018 können Leistungen gemeinsam oder getrennt vergeben werden. Weder unionsrechtlich, noch nach den Bestimmungen des BVergG 2018 besteht eine auftraggeberseitige Verpflichtung zur losweisen Vergabe.

Das Fehlen der Begründung für eine Gesamtvergabe in der Ausschreibung kann zum Zeitpunkt der Anfechtung der Ausschreibungsunterlagen noch keine Rechtswidrigkeit nach sich ziehen, da gemäß § 28 Abs 6 BVergG 2018 diese Begründung auch im Vergabevermerk erfolgen kann.

S. 145 - 158, Judikatur

Raimund Madl

Geringe Determinierung der Gleichwertigkeit fällt zum Nachteil des Auftraggebers aus

Die Auslegung von Ausschreibungsbestimmungen hat nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlichen fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt zu erfolgen. Im Zweifel sind Festlegungen in den Ausschreibungsbestimmungen gesetzeskonform und sohin in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Bestimmungen zu lesen. Auf den vermuteten Sinn und Zweck kommt es nicht an, sondern es ist der objektive Erklärungswert maßgeblich.

Ist die Ausschreibung nicht angefochten und daher bestandsfest geworden, sind alle am Vergabeverfahren Beteiligten daran gebunden. Ob eine Bestimmung rechtmäßig in der Ausschreibung festgelegt wurde, darf wegen der Bestandskraft der Ausschreibung nicht mehr geprüft werden. Eine gesetzeskonforme Auslegung der Ausschreibung bedeutet jedenfalls nicht, dass der völlig eindeutige Wortlaut der Ausschreibung korrigiert werden könnte, wenn die Ausschreibung nicht rechtzeitig angefochten wurde.

Ist in der Ausschreibung festgelegt worden, dass als Nachweis für die Ausbildung einer Fachkraft für Bodenmarkierungsarbeiten der Ausbildungsnachweis vom Wirtschaftsförderungsinstitut (WIFI) oder gleichwertiger anerkannt wird, ist die Ausbildung beim WIFI oder eine vergleichbare Ausbildung nachzuweisen. Wurde nicht weiter festgelegt, wie dieser Vergleich konkret zu gestalten ist, ist damit kein strenger Maßstab gefordert, da diese geringe Determinierung zum Nachteil des Auftraggebers ausfällt, und es ist gesetzeskonform nur eine Grobprüfung durchzuführen, ob der von einem Bieter als Nachweis vorgebrachte Schulungsinhalt gleichwertig zu dem des WIFI ist.

S. 159 - 168, Judikatur

Beatrix Lehner

Anderer Auftragsgegenstand – anderes Vergabeverfahren

Eine Abweichung vom in der Bekanntmachung genannten Auftragsgegenstand führt dazu, dass das eigentlich durchgeführte Vergabeverfahren ohne Bekanntmachung bleibt.

Der Auftragsgegenstand darf von der Bekanntmachung weg, weder im Vergabeverfahren noch während der Auftragserfüllung wesentlich geändert werden.

S. 169 - 173, Judikatur

Sandro Huber

„Vergabesperre“ für die Dauer eines jahrelangen Ermittlungsverfahrens?

Zwischen der Unschuldsvermutung und den vergaberechtlichen Selbstreinigungsmaßnahmen (zB aktive Zusammenarbeit mit Ermittlungsbehörden, Schadenersatz) besteht grundsätzlich ein Spannungsfeld.

Der Auftraggeber kann aber das abstreitende Verhalten und eine Aussageverweigerung bei der Beurteilung der Selbstreinigungsmaßnahmen mitberücksichtigen.

Es besteht bislang keine höchstgerichtliche Rechtsprechung, wann der Zeitpunkt des „betreffenden Ereignisses“ gemäß § 254 Abs 5 Z 2 BVergG und damit der Beginn der dreijährigen Höchstdauer im Falle einer mehrjährigen Ermittlungstätigkeit anzusetzen ist.

S. 174 - 178, Judikatur

Isabel Funk-Leisch

„Wer zu spät kommt, ...“ Zurückweisung des Nachprüfungsantrages wegen verspäteter Angebotsabgabe im Vergabeverfahren

Es liegt nicht im Belieben des Auftraggebers, verspätet eingelangte Angebote aus welchen Gründen auch immer im Verfahren zu belassen. Bei der Verpflichtung zur Ausscheidung verspätet eingelangter Angebote im Sinne des § 302 Abs 1 Z 4 BVergG 2018 handelt es sich nicht um eine Kann-Bestimmung, sondern um eine Muss-Bestimmung. Eine Übermittlung des Angebotes auf einem anderen als einem elektronischen Weg war daher nicht möglich und würde es eine Benachteiligung anderer Bieter bedeuten, wenn der Antragstellerin die Möglichkeit eingeräumt würde, nach Ablauf der festgesetzten Angebotsfrist ein Angebot zu legen und zusätzlich auch noch ein Angebot, welches nicht über die vorgesehene Vergabeplattform hochgeladen wird. Es würde also eine zweifache Benachteiligung anderer Bieter bedeuten, wenn ein verspätetes Angebot angenommen bzw ein nicht in der richtigen elektronischen Form unterbreitetes Angebot angenommen würde.

Tatsächlich verhält es sich so, dass technische Probleme bei der Angebotsübermittlung zu Lasten des Bieters gehen. Im konkreten Fall hat die Antragstellerin ihr Angebot erst eine halbe Stunde vor Angebotsschluss versucht, auf der Vergabeplattform hochzuladen, wobei es angeblich zu technischen Problemen gekommen ist, die aber keinesfalls der Sphäre der Auftraggeberin zuzuschreiben sind. Das Angebot bzw die Übermittlung des Angebotes ist der Sphäre des Bieters zuzuordnen. Hiebei ist auch auf die umfangreiche Judikatur zur Gefahr des Verlustes einer zur Post gegebenen Eingabe an eine Behörde zu verweisen, wo die Gefahr des Verlustes der Absender zu tragen hat. Auch im elektronischen Bereich reist die Post sozusagen auf Gefahr des Absenders.

S. 179 - 183, Judikatur

Katrin Eichinger / Wilhelm Offenbeck

Erhebliche Mängel bei früheren Aufträgen als Ausscheidensgrund

Die präsumtive Zuschlagsempfängerin hat bei der Erfüllung eines früheren Vertrages erhebliche Mängel im Zusammenhang mit wesentlichen Anforderungen zu verantworten, die Schadenersatzleistungen nach sich gezogen haben. Der Ausschlussgrund des § 78 Abs 1 Z 9 BVergG ist damit verwirklicht; die zugunsten der präsumtiven Zuschlagsempfängerin ergangene Zuschlagsentscheidung ist nichtig.

Der Ausschlussgrund des § 78 Abs 1 Z 9 BVergG ist nicht beschränkt auf Verträge des jeweils ausschreibenden Auftraggebers, sondern greift auch Platz bei Verträgen für andere (öffentliche) Auftraggeber.

Die Auftraggeberin hat spätestens mit dem Einlangen des Nachprüfungsantrages Kenntnis davon erlangt, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin im Verdacht steht, zu einer Schadenersatzleistung oder anderen vergleichbaren Sanktionen wegen erheblicher Mängel bei der Erfüllung eines früheren Auftrages verhalten worden zu sein.

Die Auftraggeberin wäre somit ab diesem Zeitpunkt verpflichtet gewesen, festzustellen, ob die präsumtive Zuschlagsempfängerin im Rahmen des von der Antragstellerin aufgezeigten Auftragsverhältnisses wesentliche Verpflichtungen im Rahmen der Leistungserbringung schuldhaft verletzt hat.

Die Auftraggeberin hat den Ausschluss während des Vergabeverfahrens zu jedem Zeitpunkt vorzunehmen, wenn sie davon Kenntnis erhält, dass einer der Ausschlusstatbestände vom Unternehmer erfüllt wird.

Das Recht der präsumtiven Zuschlagsempfängerin, eine „Selbstreinigung“ geltend machen zu dürfen, wurde beachtet. Allerdings sind die dargelegten Selbstreinigungsmaßnahmen für das gegenständliche Vergabeverfahren als nicht ausreichend zu bewerten.

Das der präsumtiven Zuschlagsempfängerin zuordenbare einmalige Fehlverhalten ist nicht geeignet, diese für den gemäß § 83 Abs 5 Z 2 iVm § 78 Abs 1 Z 9 BVergG vorgesehenen maximalen Zeitraum von drei Jahren ab dem betreffenden Ereignis von der Teilnahme an Vergabeverfahren auszuschließen, vielmehr steht es der präsumtiven Zuschlagsempfängerin frei, zukünftig durch das aktive Setzen von angemessenen Selbstreinigungsmaßnahmen ihre Zuverlässigkeit wiederherzustellen.

S. 184 - 189, Judikatur

Hubert Reisner

Kein automatischer Ausschluss bei Vorliegen eines Ausschlussgrunds bei einem Subunternehmer

Art 57 Abs 4 lit a RL 2014/24/EU steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, wonach der öffentliche Auftraggeber befugt oder sogar verpflichtet ist, den Wirtschaftsteilnehmer, der das Angebot abgegeben hat, von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen, wenn der in dieser Bestimmung vorgesehene Ausschlussgrund in Bezug auf einen der im Angebot dieses Wirtschaftsteilnehmers genannten Unterauftragnehmer festgestellt wird. Hingegen stehen diese Bestimmung in Verbindung mit Art 57 Abs 6 dieser Richtlinie sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einer nationalen Regelung entgegen, nach der ein solcher Ausschluss automatisch erfolgen muss.

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