Unter dem Titel „Deregulierung konkret“ hatte der Salzburger Landesgesetzgeber ohne Übergangsbestimmung mit Wirksamkeit vom 1.12.2017 die Parteistellung von Nachbarn im nachträglichen Baubewilligungsverfahren auf fünf Jahre nach Vollendung bzw Benützung der Anlage verkürzt. Diese Regelung (§ 7 Abs 10 sbg BauPolG in der Fassung der Novelle LGBl 2017/96) hat der VfGH nun im Ergebnis wegen unsachlicher Privilegierung von rechtswidrig Handelnden aufgehoben. Die Autoren untersuchen an Hand dieser Entscheidung verschiedenste Fragen zu Mitspracherechten von Nachbarn am Beispiel des Salzburger Baurechtes.
- ISSN Online: 1613-7612
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Inhalt der Ausgabe
S. 125 - 134, Aufsatz
Kein effektiver „objektiver Nachbarschaftsschutz“ ohne Nachbarn!
S. 135 - 139, Grundlagen und Praxis des Baurechts
Änderung von Bebauungsplänen: LVwG Bgld stellt engen Spielraum klar
Die Änderung von Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen bedarf nach ständiger Rechtsprechung des VfGH eines Änderungsanlasses, der in einer raumordnungsfachlichen Grundlagenforschung dokumentiert sein muss. Das LVwG Bgld betont in dem Erkenntnis v 6.2.2019, E 230/09/2018.001/010 = bbl 2019/128 (in diesem Heft), dass dies auch dann gilt, wenn für Grundflächen, die bislang von einer Bebauung freizuhalten waren, erstmals Bebauungsbestimmungen festgelegt werden, die eine Bauführung erlauben. Weiters stellt das LVwG Bgld klar, dass das Landesentwicklungsprogramm 2011 (LEP 2011) auch bei der Erlassung von Bebauungsplänen zu berücksichtigen ist. Ein Widerspruch zum LEP 2011 hat zur Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung zu führen.
Die Festlegung von Flächen (hier: „Reserveflächen“), bei denen im Falle einer Änderung des Bebauungsplans die Anforderungen für das Vorliegen eines Änderungsanlasses nicht zu prüfen wären, sind im Gesetz nicht vorgesehen.
Die aufsichtsbehördliche Genehmigung eines Bebauungsplanes ist „wegen sonstiger Rechtswidrigkeit“ auch dann zu versagen, wenn er dem Landesentwicklungsprogramm (hier: betreffend die Freihaltung der Seeufer) widerspricht.
Bei einem Gebäude, das ausschließlich Wohnzwecken dient, kommt Nachbarn hinsichtlich des Immissionsschutzes (hier: betreffend eine Luftwärmepumpe) kein subjektiv-öffentliches Recht zu.
Die Festlegung einer Sonderwidmung „Grünland – Bioheizanlage“ ist zulässig.
Bei einer Pferdeführanlage handelt es sich um kein bewilligungs-, anzeige- und meldefreies Spiel- oder Sportgerät.
Zur Beurteilung, ob es sich bei einer solchen Anlage um eine bewilligungspflichtige „bauliche Anlage“ handelt, weil zu deren Errichtung ein höheres Maß an bautechnischen Kenntnissen erforderlich ist, bedarf es aber eines Sachverständigengutachtens oder – im Fall der Offenkundigkeit – jedenfalls näherer Feststellungen zu Dimension und Gewicht der Anlage.
Ein Feststellungsbescheid betreffend den Leistungsinhalt eines baupolizeilichen Beseitigungsauftrages (hier: zur Frage des genauen „vorherigen“ Zustandes) ist unzulässig.
S. 143 - 144, Rechtsprechung
Überbauung einer öffentlichen Verkehrsfläche; Abstandsbestimmungen; Ausnahmen; subjektiv-öffentliche Nachbarrechte
Bei der Frage der Zulässigkeit der Überbauung von Verkehrsflächen (hier: Verbindungsgang zwischen zwei gegenüberliegenden Gebäuden) ist eine Einzelfallbeurteilung unter Abwägung aller Interessen erforderlich.
Mindestabstände müssen in diesem Fall nicht eingehalten werden. Es liegt in dieser Hinsicht auch keine planwidrige, im Analogieweg zu schließende Gesetzeslücke vor.
S. 144 - 145, Rechtsprechung
Bebauungsplan; Geschoßflächenzahl; Ausnahmen; Begriff „Keller“; Kellergeschoß; subjektiv-öffentliche Nachbarrechte
Bei einem „Keller“ handelt es sich nach dem fachlichen Sprachgebrauch um einen ganz oder teilweise unter dem Erdboden liegenden Raum.
Bei der Beurteilung ist nicht auf die Nutzung der Räume, sondern ausschließlich auf deren Lage abzustellen.
Ein Raum, der sich zwar im „Kellergeschoß“ befindet, selbst aber nicht in das Gelände hineinreicht, zählt nicht zum „Keller“.
S. 145 - 146, Rechtsprechung
Flächenwidmung „Betriebsbaugebiet“; Werkstätte; Betriebswohnung; Erforderlichkeit
An die raumordnungsrechtliche Erforderlichkeit einer Betriebswohnung ist ein strenger sowie objektiver Maßstab anzulegen.
Ein Ein-Mann-Betrieb, Rufbereitschaft sowie unregelmäßige Arbeitszeiten sind für sich alleine nicht geeignet, die Erforderlichkeit einer Wohnsitznahme am Betriebsstandort zu begründen.
Ein vom Österreichischen Tierschutzverein errichtetes und betriebenes Gebäude (hier: Hundehaus mit einer Fläche von 76,75 m2) dient gemeinnützigen Zwecken.
Die Vorschreibung des Verkehrsflächenbeitrages durch den Vizebürgermeister ohne Hinweis in der Fertigungsklausel auf die Vertretung des Bürgermeisters (hier im Spruch: „... ergeht vom Vizebürgermeister als zuständige Behörde ...“) ist absolut nichtig.
S. 146 - 147, Rechtsprechung
Garage; Parteistellung der Nachbarn; mögliche Beeinträchtigung von subjektiv-öffentlichen Rechten
Bei einem 8,73 m hohen Garagengebäude kommt nicht nur den direkt an das Baugrundstück angrenzenden Grundstückseigentümern, sondern auch den bis höchstens 10 m vom Baugrundstück entfernten Grundstückseigentümern (hier: 49 Eigentümer und Miteigentümer) Nachbarparteistellung zu.
S. 147 - 147, Rechtsprechung
Flächenwidmung „Dorfgebiet“; Änderung des Verwendungszwecks; Elektrolager
Die Verwendung eines ehemaligen Gasthauses als Elektrolager ist im „Dorfgebiet“ unzulässig.
Die Haltung auch von mehreren Papageien ist im „Wohngebiet“ zulässig.
S. 148 - 148, Rechtsprechung
Bordell; widmungswidrige Verwendung eines Wohnhauses; verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit
Der Inhaber eines Bordelbetriebs ist unbeschadet der konkreten Eigentumsverhältnisse als „Hauptverantwortlicher“ für die widmungswidrige Verwendung eines Wohngebäudes verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich.
Eine mit einer Glasplatte überdachte „Carport-Pergola“ ist baubewilligungspflichtig, wenn die überdachte Fläche 12 m2 bzw die Seitenläge 4 m übersteigt.
S. 149 - 151, Rechtsprechung
Elektronische Kundmachung von Flächenwidmungsplänen durch die Landesregierung; Selbstverwaltung der Gemeinde
Dem Gesetzgeber steht es frei, die elektronische Kundmachung von Flächenwidmungsplänen vorzusehen und deren Modalitäten näher zu regeln.
Es ist aber verfassungsrechtlich zwingend erforderlich, dass auch eine elektronische Kundmachung des Flächenwidmungsplans unter der rechtlichen Verantwortung der Gemeinde erfolgt.
Die elektronische Kundmachung der Flächenwidmungspläne durch die (hier: allein verantwortliche) Landesregierung ist verfassungsrechtlich unzulässig.
Zur Auflage des Abfallkonzeptes und der Dokumentation zur Schadstofferkundung auf der Baustelle ist der Bauherr (und nicht auch der Bauführer) verpflichtet.
Eine privatrechtliche Vereinbarung über die Herstellung der Infrastruktur unterfällt der demonstrativen Aufzählung des § 16 Abs 1 oö ROG und ist daher gültig.
Gesetzliche Sekundärverpflichtungen, die an die Stelle einer nicht erfüllten vertraglichen Verbindlichkeit treten, fallen in den Anwendungsbereich von Art 7 Nr 1 lit a EuGVVO 2012, wenn sie ihren Ursprung in der Verletzung einer sich aus dem Vertrag ergebenden Pflicht haben und selbständig gerichtlich eingeklagt werden können.
Eine nachbarrechtliche Haftung kommt nur dort in Betracht, wo mangels anderen Rechtstitels der Nachbar in die Schranken, die die §§ 364 ff ABGB der Ausübung seines Eigentums setzen, gewiesen werden soll. Besteht hingegen über die gegenseitigen Rechte und Pflichten unter Nachbarn eine vertragliche Regelung, ist nur diese für die Ausübung und die Grenze der beiderseitigen Rechte und Verbindlichkeiten maßgebend.
Ein Lebensgefährte oder Ehegatte, der Aufwendungen auf die Liegenschaft der Eltern des früheren Lebensgefährten oder Ehegatten tätigte um sodann während der Lebensgemeinschaft auf der Liegenschaft zu wohnen, hat nach Beendigung der Lebensgemeinschaft gegenüber dem Liegenschaftseigentümer einen Anspruch auf Vergütung des verbliebenen Restnutzens. Der Liegenschaftseigentümer ist auch dann passiv legitimiert, wenn zugunsten des eigenen Kindes ein Belastungs- und Veräußerungsverbot eingetragen ist und die Übertragung der Liegenschaft an das Kind nicht näher konkretisiert in Aussicht gestellt wurde.
Der grundbuchsrechtliche Vertrauensschutz ist kein aussagekräftiges Mittel über die Kreditfähigkeit eines Liegenschaftseigentümers. Ein exekutiver Gläubiger, der in der falschen Hoffnung auf eine unbelastete Liegenschaft einen Kredit ohne grundbuchsrechtliche Sicherung gewährt hat, kann daher wegen zu Unrecht unterbliebener Eintragung eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes zugunsten eines Dritten, keinen Amtshaftungsanspruch geltend machen.
S. 156 - 156, Rechtsprechung
Rücktritt vom Werkvertrag; fehlendes Vertrauen in fristgerechte Fertigstellung durch Arbeitseinstellung
Eine gänzliche Einstellung der Arbeiten durch den Werkunternehmer zu einem kritischen Zeitpunkt des Bauvorhabens, wodurch das Vertrauen des Werkbestellers in die fristgerechte Fertigstellung der Arbeiten erschüttert wird, berechtigt den Werkbesteller zum Vertragsrücktritt.
S. 156 - 157, Rechtsprechung
Gültigkeit von AGB; Umfang des Gewährleistungsanspruchs des Werkunternehmers gegen den Lieferanten
Voraussetzung für die schlüssige Vereinbarung von AGB ist der Nachweis einer bereits länger andauernden Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien. Diese liegt bei einer einzigen Lieferung mit Lieferschein samt Hinweis auf AGB nicht vor. Der Gewährleistungsanspruch des (Werk)Unternehmers gegen den Lieferanten gemäß § 933b ABGB kann sich nur auf die gelieferte mangelhafte Ware beziehen. Der dem Werkbesteller vom Unternehmer zurückgezahlte Werklohn, der Aufschlag auf den Einkaufspreis der mangelhaften Sache und die Kosten des Prozesses zwischen Werkunternehmer und Werkbesteller stellen einen Mangelfolgeschaden dar. Eine rechtzeitig eingebrachte unschlüssige oder unbestimmte Klage kann auch nach Ablauf der Präklusivfrist verbessert werden.
Für die Anmerkung der Einräumung von Wohnungseigentum an einem noch nicht errichteten Objekt, reicht nicht nur die Bezugnahme auf einen behördlich bewilligten Bauplan, sondern auch der Verweis auf eine Baugenehmigung für das Objekt.
Ein Antrag auf Einbücherung eines Kellergrundstücks im Sinn des § 300 ABGB ist nur als Anregung im Sinn des § 22 AllGAG zu verstehen. Ein Beschluss, mit dem das Gericht die Einbücherung ablehnt, ist somit nicht anfechtbar.
S. 158 - 159, Rechtsprechung
Verrechnung von Planungsleistungen; Rückforderung von Vorauszahlungen wegen Vertragsauflösung
Wird für die Errichtung von Planungsleistungen die Abrechnung nach einem Zahlungsplan entsprechend dem prozentuellen Baufortschritt und abschließender Ermittlung der tatsächlichen Kosten mit der Schlussrechnung vereinbart, handelt es sich dabei nicht um die Honorierung einzelner voneinander unabhängiger Werke selbständigen Charakters, sondern um Vorschüsse. Wird der für einen bestimmten Aufwand geforderte und gewährte Vorschuss nicht bestimmungsgemäß verwendet, ist der Empfänger gemäß § 1435 ABGB zu dessen Zurückzahlung verpflichtet. Bei vorzeitiger, vertragskonform erfolgter Kündigung durch den Werkbesteller ist daher der Werkunternehmer zur Legung einer prüffähigen Schlussrechnung verpflichtet um die von ihm erbrachten Leistungen verrechnet zu erhalten. Wird die Schlussrechnung nicht gelegt, wird der Werklohn nicht fällig, und der Werkunternehmer hat die erhaltenen Vorschüsse zurück zu zahlen.
Die Dereliktion von Miteigentumsanteilen und die Eintragung der Herrenlosigkeit von Miteigentumsanteilen ist nicht zulässig. Eine dennoch erfolgte Eintragung der Herrenlosigkeit eines Miteigentumsanteils ist daher nichtig und gemäß § 130 GBG von Amts wegen zu löschen. Demnach kommt auch die Aneignung eines herrenlosen Miteigentumsanteils nicht in Betracht. Der Miteigentümer der die Gemeinschaft nicht mehr aufrechterhalten will, muss gemäß § 830 die Aufhebung durch Teilungsklage verlangen.
Zu einer Liegenschaft gehören nach § 297 ABGB grundsätzlich auch die darauf errichteten Gebäude. Davon sieht das Gesetz Ausnahmen für Superädifikate gemäß § 435 ABGB und für Räume und Bauwerke unter der Erdoberfläche gemäß § 300 ABGB vor. Ob eine solche Ausnahme vorliegt, hat jene Partei, die sich darauf beruft, zu behaupten und zu beweisen; verbleibende Unklarheiten gehen zu ihren Lasten.
Wurde der Rechtsanwalt mit der grundbücherlichen Durchführung, Übernahme der treuhandschaftlichen Abwicklung und Beratung im Zusammenhang mit der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Liegenschaftskaufvertrags beauftragt und ein Pauschalhonorar vereinbart, infolge des Widerrufs der Vollmacht aber nicht die ganze bedungene Arbeit geleistet, kann der Rechtsanwalt nach der Aliquotierungsregel des § 1020 S 1 ABGB nur einen angemessenen Teil des vereinbarten Honorars verlangen.
Im Rahmen des Schadenersatzrechtes ist stets eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten. Wird ein nach dem Gewährleistungsrecht nicht mehr zustehender Anspruch auf Verbesserung bzw auf Ersatz der Verbesserungskosten lange nach Ablauf der Gewährleistungsfrist schadenersatzrechtlich erfolgreich geltend gemacht, erhält der Übernehmer den Nutzen einer um Jahre verlängerten Lebensdauer des Werks. Um eine Bereicherung hintanzuhalten muss sich der Übernehmer den dadurch eingetretenen Vorteil anrechnen lassen.
S. 160 - 160, Rechtsprechung
Akteneinsicht; faires Verfahren; Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse; Geheimhaltung
Die abschließende Beurteilung, welche Unterlagen im Nachprüfungsverfahren vertraulich zu behandeln sind, obliegt dem Verwaltungsgericht.
S. 160 - 162, Rechtsprechung
Gewichtung von Subkriterien; Gewichtungskoeffizienten; mehrere Hauptangebote
Die Gewichtung der Zuschlagskriterien darf während des gesamten Verfahrens nicht verändert werden; allerdings ist es zulässig, dass ein öffentlicher Auftraggeber nach Ablauf der Angebotsfrist Gewichtungskoeffizienten für die Unterkriterien festlegt, die im Wesentlichen den Kriterien entsprechen, die den Bietern vorher zur Kenntnis gebracht wurden.
Die Legung zweier der Ausschreibung entsprechenden Angebote, die sich nur im Preis unterscheiden, ist vergaberechtlich nicht zulässig; anders ist das bei Angeboten eines Bieters, die einen bewertungsrelevanten Unterschied auch in der angebotenen Leistung aufweisen.
Die Pflicht des Auftraggebers, die Bieter bis zur Angebotsöffnung geheim zu halten, findet keine Anwendung im Nachprüfungsverfahren und verhindert daher nicht die Parteistellung.
S. 162 - 162, Rechtsprechung
Mängelbehebung; Aufklärungsgespräch; Wettbewerbssituation; Änderung der Wettbewerbsstellung
Wird das ursprünglich nicht ausschreibungskonforme Angebot erst durch die Mängelbehebung ausschreibungskonform, so wird dadurch das Angebot inhaltlich verändert und damit die Wettbewerbsstellung des Bieters zu Lasten der Mitbieter unzulässig verbessert.