Seit mehr als fünf Jahren sind nun die in Umsetzung der Kartellschadenersatz-Richtlinie ergangenen nationalen Bestimmungen in Kraft. Dadurch wurde ein Sonderzivilrecht für Kartellschadenersatzansprüche in das Kartellgesetz eingefügt. In dieser Form ein Novum war dabei die Einführung von gewissen Offenlegungspflichten in §§ 37j und 37k KartG. Schadenersatzklagen wegen Wettbewerbsverstößen vor den Zivilgerichten werden in Österreich immer häufiger mit Offenlegungsanträgen nach dem KartG verknüpft. Der Weg einer „pre-trial discovery“ über die Akteneinsicht beim Kartellgericht gem § 39 Abs 2 KartG bleibt für die Geschädigten de facto, wie jüngst letztinstanzlich iZm dem Baukartell entschieden, verschlossen. Offenlegungspflichten weisen im Falle von Kartellen gem § 1 KartG und Art 101 AEUV auch ein natürliches Spannungsverhältnis zum Geheimhaltungsinteresse von Beteiligten, va von Kronzeugen, auf. Der vorliegende Beitrag soll zum einen die Voraussetzungen für eine Offenlegung von Beweismitteln im Kartellschadenersatzverfahren, zum anderen aber auch deren Grenzen aufzeigen.




- ISSN Online: 2309-7507
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Inhalt der Ausgabe
S. 171 - 181, Abhandlung
Offenlegungspflichten von Beweismitteln im Kartellschadenersatzverfahren – Wo sind die Grenzen?
S. 182 - 193, Abhandlung
Vorreiter Österreich? – Zur Vereinbarkeit des neuen § 2 Abs 1 Kartellgesetz mit dem Unionsrecht
Der österreichische Gesetzgeber hat im Rahmen der Umsetzung der ECN+ Richtlinie in § 2 Abs 1 KartG eine – über den Umfang der von der Richtlinie geforderten Maßnahmen hinausgehende – explizite Ausnahme für „nachhaltige“ Vereinbarungen vom Kartellverbot verankert. Die Gesetzesänderung ist insoweit nicht unumstritten, als die ausdrückliche Klarstellung der Einbeziehung von Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekten im Rahmen der Freistellungsprüfung (gemäß § 2 Abs 1 KartG) vom Kartellverbot (gemäß § 1 KartG als Pendant zum unionsrechtlichen Art 101 Abs 1 AEUV) und insbesondere deren Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht Fragen aufwirft. Dies zum einen im Lichte der VO (EG) Nr 1/2003 sowie insbesondere deren Konvergenzregel (vgl Art 3 Abs 2), welche das parallele Bestehen und damit auch Regelungen über die parallele Anwendbarkeit von nationalem und unionsrechtlichem Kartellrecht enthält. Außerdem ist die Vereinbarkeit der neuen nationalen Regelung mit ihrem unionsrechtlichen Gegenstück, i.e. Art 101 Abs 3 AEUV, aufgrund der Harmonisierungsbestrebungen vorgenannter Verordnung nicht eindeutig. Der österreichische Gesetzgeber ist mit seinem Versuch und dem Streben nach einer Lösung für nationale Nachhaltigkeitsvereinbarungen innerhalb des durch die Union vorgegebenen wettbewerbsrechtlichen Rahmens im Kreis der Mitgliedstaaten keineswegs allein. Die österreichische Bestimmung könnte insgesamt daher eine Vorreiterregelung zum und im nachhaltigen, europäischen Wettbewerbsrecht darstellen. Gegenständlicher Artikel widmet sich dieser Thematik und beleuchtet die Frage, ob die Nachhaltigkeitsausnahme des § 2 Abs 1 KartG mit den kartellrechtlichen Bestimmungen des EU Primär- und Sekundärrechts vereinbar ist. Nur dann kommt die österreichische Regelung nämlich als Vorreiter in der Entwicklung eines europäischen, nachhaltigen Wettbewerbsrechts überhaupt in Frage.
S. 194 - 199, Abhandlung
Drei EuGH-Testfälle im 40. Jubiläumsjahr des EG/EU-Sportkartellrechts – Teil 3
Im Jahr 2022 ist es 40 Jahre her, dass zum ersten Mal ein kartellrechtlich relevanter Streit aus dem Sport die europäische Ebene erreichte, wenn auch ohne dort förmlich entschieden zu werden. In „Meca Medina“ entschied der EuGH 2006 erstmalig eine sportbezogene Sache aufgrund kartellrechtlicher Normen, nachdem bereits in den 1990er Jahren einige Kommissionsbeschlüsse ergangen und die einvernehmliche Beilegung mehrerer mit der Fédération Internationale Automobile (FIA) verbundenen Verfahren 2001 Aufsehen erregt hatte. Seit 2008 mehren sich die Fälle, in denen nationale Kartellbehörden über Zulassungsbeschränkungen durch Satzungen und Reglements internationaler und nationaler Sportverbände zu entscheiden hatten, und 2017 ist in der Sache „International Skating Union“ (ISU) ein hochprofilierter Kommissionsbeschluss ergangen, der ebenfalls derartige Klausel zur territorialen Exklusivität zum Gegenstand hatte. Die seit ca 17 Jahren schwelende Dynamik wird sich 2022–23 anhand drei EuGH-Testfälle vermutlich weiter zuspitzen, wenn in den Rechtssachen „International Skating Union“ (C-124/21 P) (Rechtsmittel gegen EuG-Urteil in Rs T-93/18), „European Superleague“ (C-333/21)‚ Vorlagefrage des Handelsgerichts Madrid Nr. 17) bzw „Royal Antwerp FC“ (C-680/21) (Vorlagefrage des Frankofonen Gerichts Erster Instanz Brüssel) Urteile gefällt werden – Sach- und Meinungsstand ist der 1. Mai 2022. Vorliegend werden die wichtigsten Streitfragen zusammengefasst, um darzulegen, wie sich die drei aktuellen Rechtsstreite in die 40jährige Geschichte des EG/EUSportkartellrechts einfügen.
S. 206 - 208, Entscheidung
Der Verweisungsantrag gemäß Art 22 Abs 1 FKVO und die Entscheidung des EuG zu T-227/21
„Wie im Rahmen der kontextuellen Auslegung [...] festgestellt worden ist, zielt diese Verordnung gemäß ihren Erwägungsgründen 9 bis 11 darauf ab, die Prüfungsbefugnis der Kommission in erster Linie von der Überschreitung der Umsatzschwellen abhängig zu machen, die die europäische Dimension definieren, und diese Schwellenwerte durch Vorschriften über die Verweisung von Zusammenschlüssen zu ergänzen, die „wirksame Korrekturmechanismen“ darstellen müssen.“
Der Verweisungsantrag gemäß Art 22 Abs 1 FKVO dient in erster Linie als „Korrekturmechanismus“, der es einem Fusionskontrollsystem, dass nur auf Umsatzschwellen basiert, ermöglicht Fusionsvorhaben zu prüfen, die auf andere Weise von Gemeinschaftsweiter Bedeutung sind.
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