Der Beitrag widmet sich der Frage, ob es dem Landesgesetzgeber zusteht, das Landesverwaltungsgericht als Entscheidungsinstanz über innerparlamentarische Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu berufen. In weiterer Folge wird aufgezeigt, welche Folgeprobleme mit derartigen Entscheidungsbefugnissen eines Landesverwaltungsgerichts verbunden sind bzw wären.
- ISSN Online: 2309-5121
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Inhalt der Ausgabe
S. 115 - 120, News-Radar
Aktuelle Ereignisse und Entwicklungen in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Praxis
S. 127 - 139, Aufsatz
Ist die Beschwerdefiktion nach Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Hinblick auf Art 130 und 132 B-VG verfassungskonform?
§ 22 Abs 10 AsylG und § 22 BFA-VG regeln die Überprüfung von Bescheiden, mit denen der faktische Abschiebeschutz von Asylwerberinnen bzw Asylwerbern nach Einbringung eines Folgeantrags aufgehoben wird. Der wohl bemerkenswerteste Unterschied zwischen diesem Überprüfungsverfahren und dem „allgemeinen“ Bescheidbeschwerdeverfahren betrifft die Verfahrenseinleitung. Nach dem asylrechtlichen Regime ist die sonst übliche eigeninitiative Beschwerdeerhebung durch die betroffene Person ausgeschlossen. Stattdessen hat eine Übermittlung der Akten des Verwaltungsverfahrens durch das bescheiderlassende BFA zu erfolgen, die als Bescheidbeschwerde gilt. Diese in der österreichischen Rechtsordnung wohl einzigartige Beschwerdefiktion erachtete der VfGH in seinem Erkenntnis vom 10. 10. 2018, Slg 20.292/2018, mit Blick auf Art 130 und 132 B-VG als verfassungskonform. Im vorliegenden Beitrag soll dieses Überprüfungsregime vor dem Hintergrund und unter kritischer Würdigung der höchstgerichtlichen Entscheidung im Lichte der Vorgaben des B-VG für den Rechtsschutz gegen Bescheide analysiert werden.
S. 140 - 146, Aufsatz
Das differenzierte Wirksamkeitserfordernis im Verfahren über den Individualantrag – zugleich eine Anmerkung zur jüngeren Rechtsprechung des VfGH
In bisheriger Rsp hat der VfGH einen Individualantrag stets zurückgewiesen, wenn der bekämpfte Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers noch vor dem Zeitpunkt der Entscheidung weggefallen war. In neuer Rsp ist er von dieser Praxis abgerückt. Dies ist zu begrüßen: Der vorliegende Beitrag will zeigen, dass das Rechtsschutzkonzept des Verfahrens über den Individualantrag nur für den Zeitpunkt der Antragstellung einen Eingriff voraussetzt. Wenn dieser in der Folge wegfällt, bleibt die Entscheidungspflicht des VfGH bestehen.
Ist angesichts des Beschwerdeinhaltes nicht zweifelhaft, dass der Bf die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels im Beschwerdeweg erreichen wollte und mit seinem Beschwerdeantrag auf „ersatzlose Behebung“ des angefochtenen Bescheids die Eliminierung der gegenteiligen Entscheidung des BFA aus dem Rechtsbestand anstrebte, um den Weg für die Erteilung (Ausfolgung) des beantragten Aufenthaltstitels frei zu machen, darf das VwG den Beschwerdeantrag nicht nur in formalistischer Weise entsprechend seinem Wortlaut verstehen und ihm damit einen unzulässigen Inhalt beimessen, sondern muss eine verständige Deutung im Sinne des Gesamtinhalts der Beschwerde vornehmen.
Sowohl aus dem Wortlaut des § 2 Abs 1 COVID-19-VwBG als auch den Erläuterungen ergibt sich zweifellos, dass sich die für Behörden und VwG (soweit § 2 COVID-19-VwBG gemäß dessen § 6 Abs 1 auf deren Verfahren anzuwenden ist) bestehenden Entscheidungsfristen sowohl um jene Zeit, die gemäß § 2 Abs 1 Z 2 COVID-19-VwBG in die Entscheidungsfrist nicht eingerechnet werden soll, als auch „[a]ls Ausgleich dafür, dass die Corona-Krise eine rasche und einfache Erledigung der Sache durch die Behörde erschwert, [...] zusätzlich in bestimmtem Ausmaß“ (so ausdrücklich die Erläuterungen) – dieses Ausmaß wurde letztlich in § 2 Abs 1 letzter Satz COVID-19-VwBG mit sechs Wochen (oder falls an sich die Entscheidungsfrist weniger als sechs Wochen beträgt, mit jener Zeit, die der kürzeren Entscheidungsfrist entspricht) festgelegt – verlängern.
In sinngemäßer Anwendung des § 74 Abs 2 AVG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren muss der Kostenersatzanspruch (hier: für Kosten der Rechtsvertretung in einem Privatanklageverfahren wegen Ehrenkränkung nach dem NÖ PolizeistrafG) so rechtzeitig gestellt werden, dass der Ausspruch über die Kosten in die gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache aufgenommen werden kann.
§ 5 Abs 1 NÖ PolizeistrafG sieht die Kostenersatzpflicht nur für die zur Verfolgung des Deliktes notwendigen Kosten vor. Dies erfordert eine Prüfung, ob die Schwere des Delikts und die Komplexität seiner Verfolgung, insbesondere allfällige besondere Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage, die rechtsfreundliche Vertretung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich machten. Gegenstand des Kostenersatzes können jedenfalls nur angemessene Kosten sein.
S. 155 - 157, Verfahrensrecht
Zustellrechtliche Begleitmaßnahmen zu COVID-19: Verständigung hinsichtlich der Zustellung
Durch das 2. COVID-19-Gesetz, BGBl I Nr 16/2020, wurde im Zustellgesetz ein neuer, mit 22.03.2020 in Kraft getretener und am 14.05.2020 außer Kraft getretener § 26a eingefügt, der zustellrechtliche Begleitmaßnahmen zu COVID-19 beinhaltete. Gemäß dieser Bestimmung galt die Zustellung eines Dokumentes mit Zustellnachweis durch das Einlegen in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung oder Zurücklassen an der Abgabestelle sofort bewirkt.
Der 2. Satz dieser Bestimmung sah jedoch vor, dass der Empfänger, soweit dies ohne Gefährdung des Zustellers möglich war, durch schriftliche, mündliche oder telefonische Mitteilung an ihn selbst oder an Personen, von denen angenommen werden kann, dass sie mit dem Empfänger in Verbindung treten konnten, von der Zustellung zu verständigen sind (zB über eine allfällige Gegensprechanlage oder durch die Wohnungstüre).
Die Zustellung, die Form der Verständigung von der Zustellung sowie gegebenenfalls die Gründe, aus denen eine Verständigung nicht möglich war, waren gemäß § 26a Z 3 Zustellgesetz vom Zusteller auf dem Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) zu beurkunden. Vor dem Hintergrund, dass im vorliegenden Fall der Rückschein keinerlei Angaben oder Hinweise auf Zeitpunkt und Ort der Hinterlegung sowie über eine erfolgte Mitteilung gemäß § 26a Z 2 Zustellgesetz, respektive Gründe, die einer Verständigung über die erfolgte Zustellung entgegengestanden sind (§ 26a Z 3 Zustellgesetz), enthält, kann weder von einer ordnungsgemäßen Zustellung des bekämpften Bescheides ausgegangen werden noch sind für das Gericht Anhaltspunkte erkennbar, dass eine solche Zustellung stattgefunden hat.
Die Sanierung eines Zustellmangels gemäß § 9 Abs 3 ZustG setzt voraus, dass entweder die Urschrift oder eine Ausfertigung bzw eine amtlich hergestellte Fotokopie der behördlichen Erledigung dem Erwachsenenvertreter „tatsächlich“ – körperlich – zugekommen ist. Das Einscannen des dem Beschwerdeführer verkündeten Straferkenntnisses und dessen Weiterleitung an den Erwachsenenvertreter per Mail, ohne dass dem Erwachsenenvertreter das Original des Straferkenntnisses zugestellt oder physisch übergeben wurde, genügt diesen Anforderungen nicht.
S. 159 - 161, Verfahrensrecht
Vorlage von Systemdaten kein geeignetes Beweismittel zum Nachweis einer rechtswirksamen Zustellung
Systemeinträgen über vermeintliche Inhalte eines Zustellnachweises kommt nicht dieselbe Beweiskraft wie die eines Zustellnachweises zu. Der Ausdruck von Systemdaten ist keine öffentliche Urkunde.
Die sinngemäße Anwendung von § 25 Abs 1a GebAG 1975 im Verwaltungsverfahren führt dazu, dass eine Warnung durch den nichtamtlichen Sachverständigen vorrangig dann stattzufinden hat, wenn ein von der Behörde gemäß § 76 Abs 4 AVG auferlegter und dem Sachverständigen mitgeteilter Vorschuss überschritten würde. Wurde von der Behörde kein Vorschuss nach § 76 Abs 4 AVG eingehoben, kämen gemäß § 25 Abs 1a GebAG die fixen Schwellenwerte von € 2.000,-- bzw € 4.000,-- zum Tragen. Dass eine sinngemäße Anwendung dieser für die Justiz konzipierten Vorschriften zu dem Ergebnis führt, im verwaltungsbehördlichen Verfahren sei stets ein Schwellenwert für die Warnpflicht von € 2.000,-- heranzuziehen, kann dem Gesetz nicht unterstellt werden. Eine sinngemäße Anwendung des § 25 Abs 1a GebAG im Verwaltungsverfahren erfordert vielmehr – bis zu einer allenfalls klarstellenden Lösung im Gesetz – eine differenzierte Betrachtung, die den Zielen der Warnpflicht einerseits und den Besonderheiten der jeweils in Rede stehenden Verwaltungsverfahren andererseits Rechnung trägt.
S. 166 - 168, Verfahrensrecht
Andere Vorfragenentscheidung durch formlose Einstellung eines wiederaufgenommenen Verfahrens
Beim Verfahren zum Entzug der Jagdkarte handelt es sich um ein amtswegig eingeleitetes Verwaltungsverfahren, das in einem Fall, in dem die Behörde das Vorliegen der Voraussetzungen für den Entzug als gegeben ansieht, mit Bescheid beendet wird. Kommt die Behörde im Ermittlungsverfahren jedoch zum Ergebnis, dass die Jagdkarte nicht zu entziehen ist, kann das Verfahren formlos mit Aktenvermerk eingestellt werden. Hat daher die Behörde mit Bescheid die Entziehung der Jagdkarte ausgesprochen und wurde der rechtskräftig gewordene Entziehungsbescheid in der Folge – insb im Fall einer Wiederaufnahme – aus dem Rechtsbestand beseitigt, so kann das Entziehungsverfahren in der Folge auch formlos eingestellt werden; die entzogene Jagdkarte wäre in diesem Fall aufgrund der Wiederaufnahme des Entziehungsverfahrens wieder auszufolgen. Auch darin liegt eine „andere Entscheidung“ (hier: einer Vorfrage für den Widerruf der Bestätigung als Jagdschutzorgan) iSd § 69 Abs 1 Z 3 AVG, da der die Entziehung aussprechende Bescheid weggefallen ist und für die gegenteilige „Entscheidung“ – den Weiterbestand der durch die zuvor ausgestellte Jagdkarte dokumentierten Berechtigung zur Ausübung der Jagd – keine bescheidmäßige Erledigung erforderlich ist.
Ist der einstweilige Erwachsenenvertreter bei der Verkündung eines Straferkenntnisses nachweislich nicht anwesend, entfaltet die Verkündung gegenüber dem (prozessunfähigen) Beschuldigten keine Rechtswirkungen. Ebenso kann auch die Zustellung der Beurkundung des Inhaltes und der Verkündung des Straferkenntnisses an den Erwachsenenvertreter keine Rechtswirkungen entfalten, da zum einen die Verkündung von Vornherein unwirksam war und es sich zum anderen gegenständlich um ein Einparteienverfahren handelt, während eine Zustellung iSd § 46 Abs 1 VStG lediglich im Mehrparteienverfahren gesetzlich vorgesehen ist.
S. 172 - 175, Materienrecht
Feststellungsantrag einer anerkannten Umweltorganisation zum Luftqualitätsprogramm
Im vorliegenden Verfahren war zu prüfen, ob mit den fachlich angestellten Prognosen zur Maßnahmenwirksamkeit und den dazu erhobenen Grundlagen im Luftqualitätsprogramm 2019 eine Maßnahmenwahl getroffen wurde, die geeignet ist, eine ehestmögliche Einhaltung der Grenzwerte zu ermöglichen. Es handelt sich dabei um eine ex ante-Beurteilung, die nicht dazu geeignet ist, die Wirksamkeit oder den Umsetzungsgrad einzelner Maßnahmen für sich zu überprüfen. Vielmehr darf eine Prüfung nur betreffend die Maßnahmen in ihrer Gesamtheit, dh betreffend das gesamte in einem Programm nach § 9a IG-L angeführte Maßnahmenbündel erfolgen. Die Beantragung einer zusätzlichen Verordnung einer Umweltzone sowie der sofortigen Umsetzung der Maßnahmen geht jedoch über die „Sache“ des Beschwerdeverfahrens und damit über die Prüfkompetenz des LVwG hinaus.
S. 176 - 177, Materienrecht
Beschwerdelegitimation und Vertretungsbefugnis anerkannter Umweltorganisationen nach dem Oö. Jagdgesetz
Es besteht eine Beschwerdelegitimation von gemäß § 19 Abs 7 UVP-G anerkannten Umweltorganisationen nach § 91a Abs 1 iVm Abs 3 Oö. Jagdgesetz. Juristische Personen handeln grundsätzlich durch die nach ihren Organisationsvorschriften zuständigen Organe als ihre Vertreter, wobei dies im Fall eines Vereins der Obmann bzw konkret der Präsident wäre. Zu bedenken ist, dass eine ursprünglich vollmachtslos vorgenommene fristgebundene Verfahrenshandlung – hier die Beschwerde – durch eine nachträglich und außerhalb der Frist erfolgte Vollmachtserteilung nicht saniert werden kann. Das Fehlen einer Vollmacht stellt kein verbesserungsfähiges Formgebrechen iSd § 13 Abs 3 AVG dar, da nur der Mangel des Nachweises, nicht aber der Mangel der Bevollmächtigung selbst behebbar ist.
S. 178 - 182, Materienrecht
Der Wirkungsbereich von Behörden sowie die datenschutzrechtliche Interessenabwägung bei der Erteilung von Auskünften
Aufgrund der Eigentümerstruktur der ASFINAG und auf Basis der diese organisierenden gesetzlichen Grundlagen muss davon ausgegangen werden, dass die Wahrnehmung von Eigentümerinteressen an dieser Gesellschaft zum Wirkungsbereich des BMVIT (und nunmehr des BMK) gehört und daher das gegenständliche Auskunftsbegehren an die belangte Behörde als Eigentümerin im Rahmen der Wahrnehmung ihres Beteiligungsmanagements gestellt werden kann.
In der Auskunftserteilung kann außerdem eine Aufgabe im öffentlichen Interesse gesehen werden, die auf einer ausreichend konkreten gesetzlichen Grundlage – dem Auskunftspflichtgesetz – beruht. Daher kann die Beauskunftung der Namen der Prüfer_innen auch eine datenschutzrechtliche Rechtfertigung in Art 6 Abs 1 lit e DSGVO finden.
S. 182 - 184, Materienrecht
Zurückweisung einer Beschwerde betreffend die Nichterteilung einer Auskunft durch den Österreichischen Rundfunk
In Anbetracht der Organisation und Aufgaben des ORF ist für das Verwaltungsgericht Wien nicht zu erkennen, dass dieser Aufgaben der Verwaltung besorgt. Er unterliegt dementsprechend auch nicht der Auskunftspflicht iSd Art 20 Abs 4 B-VG.
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