Im Zeitraum von Ende Juni bis Anfang September 2022 wurden unter anderem folgende Bundesgesetze bzw Verordnungen verlautbart. Viele davon betreffen nach wie vor Maßnahmen gegen die COVID-19-Pandemie und ihre Folgen. Auch der russische Angriff auf die Ukraine schlägt sich in der Rechtsetzung nieder (Integrationsgesetz, Anerkennungs- und Bewertungsgesetz etc), mit dem Ziel der Sicherung der Gasversorgung und als Reaktion auf gestiegene Energiepreise. Daneben finden sich Bundesgesetze und Verordnungen zu Themen des Arbeitsrechts, des Wirtschaftsrechts und des Sozialrechts.
- ISSN Online: 2309-5121
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Inhalt der Ausgabe
S. 303 - 306, News-Radar
Aktuelle Ereignisse und Entwicklungen in der Gesetzgebung
S. 307 - 318, Aufsatz
Das verwaltungsstrafrechtliche Günstigkeitsprinzip und COVID-19
Das rechtliche Maßnahmenpaket zur Hintanhaltung von COVID-19 war dynamisch angelegt, um situativ den jeweiligen pandemischen Erfordernissen gerecht zu werden. Im Laufe der Zeit kam es dadurch zu in der Regel kurz befristeten, jedenfalls rasch wechselnden Regelungen, die infektionsbegünstigendes Tun oder Unterlassen unter Strafe stellten. Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte hatten und haben sich aus diesem Grund vermehrt mit Fragen um das verwaltungsstrafrechtliche Günstigkeitsprinzip des § 1 Abs 2 VStG auseinanderzusetzen, von denen ausgewählten im Folgenden nachgegangen wird.
S. 319 - 326, Aufsatz
Das rechtskräftige Straferkenntnis als Verfahrenshindernis im gerichtlichen Strafverfahren und die Möglichkeit einer verfahrensübergreifenden Wiederaufnahme
In der Praxis treffen Verwaltungsübertretungen und gerichtlich strafbare Handlungen innerhalb eines Geschehens nicht selten aufeinander. Das Paradebeispiel ist das Lenken eines Fahrzeuges unter Alkoholeinfluss und die dabei verursachte Verletzung einer anderen Person. Der Lenker begeht eine Verwaltungsübertretung (alkoholisiertes Lenken eines Fahrzeuges) und erfüllt einen gerichtlichen Straftatbestand (fahrlässige Körperverletzung). Aufgrund der allgemeinen Subsidiaritätsklausel ist grundsätzlich geklärt, dass bei einem Zusammentreffen die Verwaltungsübertretung hinter die gerichtliche Strafbarkeit zurücktritt. Doch ist fraglich, in welchen Fällen die Subsidiaritätsklausel tatsächlich zur Anwendung kommt. Denn die Bestimmung setzt voraus, dass dieselbe Tat sowohl den verwaltungsrechtlichen als auch den gerichtlichen Straftatbestand erfüllt. Was aber ist unter derselben Tat zu verstehen? Wo verlaufen die Grenzen einer Tat? Und auch wenn diese Fragen beantwortet werden können, ist nicht ausgeschlossen, dass die Verwaltungsbehörde entgegen der Subsidiaritätsklausel eine Entscheidung vor dem Abschluss des gerichtlichen Strafverfahrens erlässt. Sobald die Entscheidung der Verwaltungsbehörde rechtskräftig ist, muss geprüft werden, ob diese der gerichtlichen Strafverfolgung entgegensteht und, wenn ja, ob die Verwaltungsbehörde ihre Entscheidung zur Ermöglichung der gerichtlichen Strafverfolgung aufheben kann. Dazu bedarf es allerdings der entsprechenden Rechtsgrundlage im Verwaltungsstrafverfahren.
S. 328 - 330, Verfahrensrecht
BAO: Aufhebung des angefochtenen Bescheides, nicht der Beschwerdevorentscheidung
Im Verfahren nach dem VwGVG wird dem Ausgangsbescheid durch die Beschwerdevorentscheidung endgültig derogiert. Das VwG kann daher, wenn in der Beschwerdesache eine Beschwerdevorentscheidung ergangen ist, in der meritorischen Beschwerdeentscheidung nur die an die Stelle des Ausgangsbescheides (Erstbescheides) getretene Beschwerdevorentscheidung aufheben, abändern oder bestätigen. Grundsätzlich anders regelt dies die BAO. Entscheidet das VwG [nach einer Beschwerdevorentscheidung] in der Sache (teilweise) stattgebend über die Beschwerde, ergibt sich aus § 279 Abs 1 BAO, dass es den „angefochtenen Bescheid“, also den Erstbescheid abzuändern oder aufzuheben hat.
S. 330 - 333, Verfahrensrecht
Konkretisierung der verletzten Verwaltungsvorschrift und der Sanktionsnorm im Spruch
Bei der Angabe der verletzten Verwaltungsvorschrift und der Sanktionsnorm gemäß § 44a Z 2 und 3 VStG kommt es darauf an, dass die Norm (lediglich) unverwechselbar konkretisiert wird, damit die beschuldigte Person in die Lage versetzt wird, auf den Vorwurf entsprechend zu reagieren und ihr Rechtsschutzinteresse zu wahren.
Sofern nicht aus besonderen Gründen – etwa aufgrund gestaffeltem, verzögertem oder später geändertem Inkrafttreten – für den Rechtsanwender Unsicherheit über die angewendete Fassung bestehen kann, liegt eine Verletzung der Anforderungen des § 44a Z 2 und 3 VStG jedenfalls nicht vor, wenn die angewendete Rechtsvorschrift in ihrer Gesamtheit mit der zuletzt (vor dem Tatzeitpunkt) erfolgten Novellierung zitiert wird, oder wenn die zuletzt vor dem Tatzeitpunkt erfolgte Novellierung bezogen auf einzelne Paragraphen oder Artikel der Rechtsvorschrift zitiert wird, ohne dass mit den zitierten Änderungen zwingend auch die jeweils konkret anzuwendende Untergliederung der Rechtsvorschrift geändert wurde. Selbst ein Unterbleiben der Angabe der Fundstelle kann aber dann keine Verletzung in einem subjektiven Recht der beschuldigten Person bewirken, wenn die herangezogene Rechtsvorschrift für diese aus dem Zusammenhang nicht zweifelhaft sein konnte.
Für die Wirksamkeit eines Absonderungsbescheides kommt es ausschließlich auf dessen Zustellung/Erlassung an und nicht auf den Umstand, dass ein „positives“ Testergebnis bekannt gewesen sein müsste.
Die – im Hinblick auf das Konzessionsverbot nach Art 13 Abs 2 StGG normierte – Ausnahme des Pressegewerbes vom Anwendungsbereich der GewO 1994 erstreckt sich auch auf den Zeitungsverkauf mit Selbstbedienungseinrichtungen. Der Transport und das Aufstellen solcher Einrichtungen, das Befüllen mit Druckwerken sowie das Anbringen der Kassenbehälter stellen für das Zustandekommen des konkreten Zeitungsverkaufes notwendige und mit der Distribution an Letztverbraucher eng verbundene Arbeitsschritte dar, die – ebenso wie die Herausgabe von Zeitungen und Zeitschriften – als vom Schutzbereich der Pressefreiheit umfasst anzusehen sind.
S. 340 - 343, Materienrecht
Erlassung eines Feststellungsbescheides über Art und Ausmaß der Grundumlagepflicht
Das Feststellungsverfahren des § 128 Abs 1 WKG sieht keine Möglichkeit der Prüfung der inhaltlichen Rechtmäßigkeit der Beschlüsse bzw keine Handhabe für eine Prüfung der in einem rechtskonformen Verfahren festgesetzten Höhe der Grundumlage vor.
Aus § 128 Abs 1 WKG ergibt sich weder eine Verpflichtung noch eine Notwendigkeit im Feststellungsverfahren zu erheben und im Feststellungsbescheid näher auszuführen, ob die zur Bedeckung der Aufwendungen im Sinn des § 123 Abs 1 Z 1 bis 3 WKG festgesetzte Höhe der Grundumlage den gesetzlichen Gebarungsgrundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit entspricht.
S. 344 - 347, Materienrecht
Zukünftige Nutzung eines Grundstücks im straßenrechtlichen Bewilligungsverfahren
Für den im Oö. Straßengesetz 1991 normierten Schutz der Nachbarn vor Beeinträchtigungen durch den Verkehr auf einer öffentlichen Straße und für die Frage, wann die Beeinträchtigungen wegen der Art der Nutzung des Geländes zumutbar ist, kommt es bei der straßenrechtlichen Bewilligung auf die aktuelle Nutzung eines angrenzenden Grundstücks an. Der Widmung eines Anrainergrundstückes könnte allenfalls (nur) insofern Relevanz zukommen, als es um die Frage ginge, ob die ins Treffen geführte Nutzung des Grundstückes rechtmäßig ist (im Allgemeinen wird es nur auf eine solche ankommen). Eine nicht konkretisierte künftige Sachverhaltsänderung, wie eine allenfalls in der Zukunft beabsichtigte, aber noch nicht ausgeübte Wohnnutzung, kann daher nicht relevant sein.
S. 348 - 349, Materienrecht
Einschalten der Zündung, um Fenster zu schließen, ist keine Inbetriebnahme
Unter „Inbetriebnehmen“ eines Fahrzeuges sind Handlungen zu verstehen, die notwendig sind, um durch Einwirkung der motorischen Kräfte das Fahrzeug zur Fortbewegung zu verwenden, vor allem die Ingangsetzung des Verbrennungsmotors, was auch die Betätigung der Zündung erfordert. Erfolgte die Nutzung des Fahrzeuges ausschließlich, um – nach vorhergehender Aufforderung eines Polizisten – die Fenster zu verschließen, ist in einem solchen Fall nicht von einer „Inbetriebnahme“ iSd § 5 Abs 2 StVO 1960 auszugehen.
S. 350 - 352, Materienrecht
Minderjährigkeit als Voraussetzung für die Verleihung der Staatsbürgerschaft
Die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft nach § 12 Abs 1 Z 3 StbG darf bei sonstigem Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nicht davon abhängig sein, wie lange ein entsprechendes Verfahren dauert. Der Einbürgerungstatbestand des § 12 Abs 1 Z 3 StbG ist daher verfassungskonform in dem Sinn auszulegen, dass für die spezifische Voraussetzung der Minderjährigkeit nicht auf den Entscheidungszeitpunkt, sondern auf den Zeitpunkt der Antragstellung bei der Staatsbürgerschaftsbehörde abzustellen ist.
Bei einer einheitlichen baulichen Anlage hat grundsätzlich der gesamte Bau Gegenstand eines baupolizeilichen Auftrags zu sein, sodass ein Beseitigungsauftrag für konsenslos errichtete Bauten nicht nur jene Teile der baulichen Anlage betreffen kann, die mit den Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes nicht übereinstimmen. Auch an sich bewilligungs- und anzeigefreie bauliche Anlagen müssen den raumordnungsrechtlichen Bestimmungen entsprechen.
Die Umschreibung der Person in § 7 Abs 3 Z 2 AlVG, „die sich berechtigt im Bundesgebiet aufhält, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben, sowie, wenn ihr eine unselbständige Beschäftigung nur nach Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung gestattet ist“, stellt auf das Recht der Person zur Aufnahme und Ausübung einer unselbständigen Beschäftigung und nicht nur darauf ab, dass ausnahmslos ein Aufenthaltstitel mit Arbeitsmarktzugang vorliegt.
Es verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz, Dienstverrichtungen, die von (Straf-)Richtern während der Rufbereitschaft in den Nachtstunden erbracht werden, nur dann mit einem erhöhten Überstundenzuschlag abzugelten, wenn die Richter in Vollauslastung tätig sind.
S. 363 - 368, Materienrecht
Kumulierte Verwaltungsstrafen wegen Nichtanmeldung zur Pflichtversicherung nicht unverhältnismäßig
Die Verwaltungsstrafbestimmung des § 111 Abs 1 Z 1 ASVG iVm § 33 Abs 1 (bzw § 33 Abs 1 und 2) ASVG dient im Sinn der Rsp des EuGH zwingenden Gründen des Allgemeininteresses und ist erforderlich, um diesen Zielen zum Durchbruch zu verhelfen. Die Rsp des EuGH steht der Verhängung kumulierter Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen hinsichtlich solcher Straftatbestimmungen, die eine zulässige Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs nach Art 56 AEUV darstellen, nicht grundsätzlich entgegen. Gefordert ist jedoch, dass die Härte der verhängten Sanktionen – insb auch vor dem Hintergrund des Art 49 Abs 3 GRC – der Schwere der mit ihnen geahndeten Taten entspricht, indem sie insb eine wirklich abschreckende Wirkung gewährleistet, zugleich aber nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass im Sinn der Rsp des EuGH bzw der daraus zu Tage tretenden Wertungen die für Verwaltungsübertretungen nach § 111 Abs 1 Z 1 ASVG iVm § 33 Abs 1 (bzw § 33 Abs 1 und 2) ASVG in § 111 Abs 2 ASVG (iVm § 9 VStG) vorgesehenen Sanktionen nicht bzw jedenfalls nicht generell unverhältnismäßig sind.
Allein die Tatsache, dass der Empfänger von den elektronischen Verständigungen keine Kenntnis erlangte, ist nicht ausreichend, um nach § 35 Abs 7 Z 1 ZustG von der Unwirksamkeit der Zustellung auszugehen.
Das Scheitern des Einloggens bei einem elektronischen Zustelldienst an einem Mangel, der dem Empfänger zuzurechnen ist, verhindert die Wirksamkeit der Zustellung nicht. Verabsäumt es der die Dienste eines elektronischen Zustelldienstes freiwillig in Anspruch nehmende Empfänger, die Voraussetzungen für eine Abholung des Dokumentes zu schaffen, führt die Versendung der elektronischen Verständigung auch dann zu einer wirksamen Zustellung, wenn er keine Möglichkeit zum Download des Dokumentes hat.
Eine Heimquarantäne soll eine Isolation im Sinne eines vollständigen Kontaktausschlusses bezwecken; dies ist jedoch nicht gegeben, wenn über allgemeine Flächen (etwa Stiegenhaus oder Aufzug) eine Wohnung verlassen wird, um einen Keller aufzusuchen. Ein Kellerabteil ist zum Wohnen nicht unbedingt erforderlich.
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