Von Mitte März bis Mitte Mai 2023 gab es unter anderem folgende Bundesgesetze bzw Verordnungen und Kundmachungen. Einige davon betreffen nach wie vor Maßnahmen gegen die COVID-19-Pandemie und ihre Folgen. Auch der russische Angriff auf die Ukraine schlägt sich in der Rechtsetzung nieder, mit dem Ziel der Sicherung der Gasversorgung und als Reaktion auf gestiegene Energiepreise. Daneben finden sich Bundesgesetze und Verordnungen zu Themen des Arbeitsrechts, des Wirtschaftsrechts und des Sozialrechts.
- ISSN Online: 2309-5121
40,00 €
inkl MwSt
Inhalt der Ausgabe
S. 163 - 166, News-Radar
Aktuelle Ereignisse und Entwicklungen in der Gesetzgebung
S. 167 - 170, Aufsatz
Zum Reformbedarf der Einbringungs- und Zustellungsvarianten in der Verwaltungsgerichtsbarkeit
Die derzeit bestehende Uneinheitlichkeit der Einbringungs- und Zustellmöglichkeiten in der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist ineffizient und rechtsstaatlich bedenklich, der diesbezügliche Reformbedarf offenkundig. Die wohl einzige sachgerechte Lösung bildet die Eingliederung der Verwaltungsgerichte in den ERV, neben einer Beibehaltung der klassischen Kommunikation auf dem Postweg.
S. 171 - 175, Aufsatz
Ausgewählte höchstgerichtliche Rechtsprechung zum NAG im Jahr 2022
Das Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (NAG, BGBl I 100/2005) ist in der verwaltungsgerichtlichen Praxis von nicht zu unterschätzender Bedeutung. So wurden im Jahr 2022 alleine beim VwG Wien 1.849 Beschwerdesachen nach dem NAG anhängig. Der folgende Beitrag stellt beachtenswerte im Jahr 2022 ergangene Judikate des Verwaltungsgerichtshofes zum NAG im Überblick dar.
S. 177 - 178, Verfahrensrecht
Rechtsauskunft über Urkunden, die die Herkunft einer Person beweisen können
Der an das Verwaltungsgericht Wien gerichtete Antrag, gemäß § 1 Abs 1 Wiener Auskunftspflichtgesetz Rechtsauskunft darüber zu erteilen, welche Urkunden nach der Rechtsansicht des Gerichtes die Herkunft einer Person beweisen können, bezieht sich auf Angelegenheiten der Gerichtsbarkeit, die nicht von der Auskunftspflicht erfasst sind.
Bei einem Antrag auf eine Auskunft betreffend ein laufendes verwaltungsgerichtliches Verfahren kommt eine Zuständigkeit des Präsidenten des Verwaltungsgerichtes Wien in seiner Funktion als monokratisches Organ der Justizverwaltung nicht in Betracht. Da für diesen Antrag auch die Zuständigkeit eines anderen Organes nicht in Betracht kommt, ist eine Weiterleitung bzw eine Verweisung an ein zuständiges Organ gemäß § 3 Abs 4 Wiener Auskunftspflichtgesetz von vornherein ausgeschlossen.
Es liegt im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des einfachen Gesetzgebers, der Vollversammlung oder dem Personalausschuss eines Verwaltungsgerichts gerichtliche Geschäfte iSd Art 135 Abs 2 B-VG zu übertragen, sofern es sich um Angelegenheiten handelt, die mit den im B-VG umschriebenen Funktionen dieser Kollegialorgane in einem sachlichen Zusammenhang stehen (so etwa die Dienstbeschreibung der sonstigen Mitglieder des Verwaltungsgerichts).
S. 181 - 185, Verfahrensrecht
Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichts bei Beschwerden gegen aufsichtsbehördliche Aufträge
Eine Beschwerde, die gegen den aufsichtsbehördlichen Auftrag zur Abberufung eines Geschäftsleiters erhoben wird, ist auch dann meritorisch zu erledigen, wenn diesem Auftrag im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde bereits entsprochen worden ist.
S. 186 - 188, Verfahrensrecht
Automationsunterstützt erstellte Bescheidausfertigung nach dem AlVG: Abweichung vom AVG verfassungswidrig
Die Bestimmung des § 47 Abs 1 fünfter Satz AlVG, wonach automationsunterstützt erstellte Ausfertigungen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung bedürfen, verstößt gegen Art 11 Abs 2 B-VG. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass besondere Umstände oder der Regelungszusammenhang eine Abweichung von den Erfordernissen des § 18 Abs 4 AVG rechtfertigen würden.
S. 188 - 191, Verfahrensrecht
Insolvenzverwalter: Keine Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten
Den Insolvenzverwalter trifft mit dessen Eintritt in die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers gemäß § 41 Abs 5 erster Satz GewO 1994 die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften nach § 370 Abs 1 GewO 1994.
Eine mit einem handschriftlich ergänzten Formular erfolgte, nicht unterschriebene „Verwarnung“ durch ein Marktaufsichtsorgan, die weder einen Schuldspruch noch einen hinreichenden Ausspruch der Ermahnung, noch eine Bezeichnung als Bescheid enthält, ist nicht als mittels Bescheid zu erteilende Ermahnung iSd § 45 Abs 1 VStG zu qualifizieren.
Das bloße „Hochladen“ nachzureichender Teilnahmeunterlagen durch Betätigen der Schaltfläche „Speichern“ kommt dem Ersuchen um rechtzeitige Nachreichung nicht nach. Ein Teilnahmeantrag ist erst dann rechtzeitig eingelangt, wenn der gesamte Abgabeprozess (uploaden, signieren und verschlüsseln) auf dem Beschaffungsportal fristgerecht abgeschlossen ist. Das Risiko des rechtzeitigen Eingangs des Teilnahmeantrages trägt der Bewerber. Informationen gelten iSd § 48 Abs 4 BVergG 2018 dann als übermittelt, wenn die Sendung in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt ist. Dies erfordert, dass der Empfänger tatsächlich auch Zugang zu dem Speicherbereich hat, in dem die Daten hochgeladen wurden. Ein Speicherbereich, zu welchem der Empfänger keinen Zugang hat, kann nicht als sein „elektronischer Verfügungsbereich“ verstanden werden. Das Ab- bzw Zwischenspeichern auf dem Server des Beschaffungsportals/Nebenbeschaffungsdienstleisters ist bloß ein Zwischenschritt, denn die betreffenden Daten können danach vom Bieter bzw Bewerber weiterhin bearbeitet werden und befinden sich demnach weiterhin in seinem Verfügungsbereich. Erst mit der Betätigung der Schaltfläche „Senden“ verlassen die Daten den Verfügungsbereich des Unternehmers und stehen am Server des Beschaffungsportals/Nebenbeschaffungsdienstleisters der Auftraggeberin zur weiteren Prüfung zur Verfügung.
S. 199 - 200, Materienrecht
Ausnahme vom Halte- und Parkverbot für das Aufladen von Elektrofahrzeugen
Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte durch die Zusatztafel nach § 54 Abs 5 lit m StVO insoweit eine Ausnahme vom Halte- und Parkverbot geschaffen werden, als Elektrofahrzeugen während des Ladevorgangs zum Zweck des Aufladens Parkplätze zur Verfügung gestellt werden. Vor dem Hintergrund der ausdrücklichen Zweckwidmung ist eine restriktive Auslegung der normierten Ausnahme geboten, weshalb nach Beendigung des Ladevorgangs diese Ausnahme nicht mehr zur Anwendung kommen kann.
Die Zurückweisung eines Antrags auf internationalen Schutz kann nicht auf das Asylprotokoll gestützt werden. Dieses eignet sich nicht als alleinige Grundlage für die Antragszurückweisung ohne jegliche inhaltliche Prüfung, auch wenn prima facie keiner der darin aufgezählten Ausnahmefälle vorliegt, der die Gewährung von Asyl an einen Unionsbürger ermöglichen würde.
Da das BVwG bei einer zurückweisenden Entscheidung auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Antragszurückweisung beschränkt ist, kommt die in der Beschwerde primär angestrebte Zuerkennung des Status des Asylberechtigten jedenfalls nicht im Beschwerdeverfahren in Betracht.
Die Rechtswirkung des § 20 Abs 4 Niederlassungs- und AufenthaltsG (Erlöschen des Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt – EU“) tritt ex lege ein; eine Interessenabwägung ist nicht vorgesehen.
Wenn der österreichische Gesetzgeber die Anrechnung der Studienzeiten zur Hälfte in § 45 Abs 2 erster Satz NAG davon abhängig macht, dass dieser Aufenthalt einer Niederlassung unmittelbar vorangeht, so ist dies aus unionsrechtlicher Perspektive nicht zu beanstanden. Denn der Gesetzgeber dürfte aufgrund des fakultativen Charakters des Art 4 Abs 2 zweiter Unterabsatz RL 2003/109/EG den Studienaufenthalt auch zur Gänze unberücksichtigt lassen.
§ 47 Abs 3 Z 1 NAG ist verfassungskonform auszulegen, um eine Diskriminierung unter Fremden (Ableitung vom Österreicher iSd § 47 Abs 3 Z 1 NAG v Ableitung vom Unionsbürger iSd § 52 Abs 1 Z 3 NAG, zum Gebot der Gleichbehandlung siehe VwGH 5.11.1999, 99/21/0156; auch Art 24 Abs 1 RL 2004/38/EG) zu vermeiden, zumal der EuGH den zugrundeliegenden Art 2 Z 2 lit c und lit d RL 2004/38/EG so ausgelegt hat, dass ein Unterhaltsbedarf im Herkunftsstaat im Zeitpunkt der Antragstellung vorliegen muss (vgl EuGH 16.1.2014, C-423/12, Rz 20-22 mit Verweis auf EuGH 9.1.2007, C-1/05, Rz 37 bzgl aufsteigender Linie, wobei die RL 73/148/EWG durch die RL 2004/38/EG aufgehoben wurde; siehe im Übrigen auch VwGH 23.3.2021, Ro 2019/22/0007).
Die Beschimpfung „Wie bei die Nazis!“ ist als Anstandsverletzung zu qualifizieren. Wenn der Bf die Meinung vertritt, eine solche Äußerung würde der Meinungsfreiheit unterliegen, so ist dies unzutreffend; insbesondere endet die Meinungsfreiheit des Bf dort, wo er sich gegenüber anderen beleidigend oder beschimpfend äußert; dass die Bezeichnung als „Nazis“ insofern eine Anstandsverletzung darstellt, kann nicht bezweifelt werden.
Nach den Bestimmungen des Oö Objektivierungsgesetzes haben Bewerberinnen und Bewerber keinen Rechtsanspruch auf Aufnahme in den öffentlichen Dienst des Landes Oberösterreich bzw auf Betrauung mit einer bestimmten Funktion; ihnen kommt diesbezüglich auch keine Parteistellung in derartigen Verfahren zu. Bei der Mitteilung über die Ausscheidung aus dem Auswahlverfahren handelt es sich außerdem um keinen Bescheid im Sinne des Gesetzes, sodass eine Beschwerde dagegen an das Landesverwaltungsgericht im Rahmen einer Bescheidbeschwerde nicht in Betracht kommt.
S. 217 - 220, Materienrecht
Sozialministeriumservice als monokratisches Organ mit bundesweiter Zuständigkeit
§ 1 Abs 1 SMSG richtet das Sozialministeriumservice als monokratisches Organ mit bundesweiter (örtlicher) Zuständigkeit ein, welches – als unterstelltes Amt iSd Art 77 Abs 1 B-VG – unmittelbar dem zuständigen Bundesminister nachgeordnet ist. Behördliche Aufgaben, welche durch die Materiengesetzgebung dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen bzw dem Sozialministeriumservice – und nicht ausdrücklich seinen Landesstellen – übertragen werden, sind solche dieses Organs und nicht seiner Landesstellen. Die zuständige Behörde zur Vorschreibung der Entrichtung einer Ausgleichstaxe gemäß § 9 Abs 1 BEinstG ist somit das Sozialministeriumservice und nicht eine seiner Landesstellen.
Nicht alle als unfreundlich oder respektlos empfundenen zwischenmenschlichen Verhaltensweisen sind dazu geeignet, den Verdacht einer unter § 57a RStDG zu subsumierenden Dienstpflichtverletzung zu begründen (hier: Eintreten in ein fremdes Dienstzimmer ohne Aufforderung).
Einer generell ablehnenden Haltung gegenüber der Beisetzung von Urnen außerhalb eines Urnenhains oder Friedhofs stehen schon grundsätzlich die Bestimmungen des Oö Leichenbestattungsgesetzes entgegen. § 21 Oö Leichenbestattungsgesetz 1985 gewährt bei Erfüllung der darin normierten Voraussetzungen vielmehr einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Bewilligung der Beisetzung von Urnen auch außerhalb von Friedhöfen, Urnenhainen oder Urnenhallen, wobei das gesetzlich vorgesehene Bewilligungsverfahren auf den jeweiligen Einzelfall abstellt und eine Prüfung der konkret vorliegenden Umstände der beabsichtigten Beisetzung vorschreibt.
Aufgrund einer bereits abgegebenen Meldung nach § 2 Abs 3 RGG besteht für ein weiteres Auskunftsbegehren nach § 2 Abs 5 RGG kein Raum. Eine daran knüpfende Bestrafung ist daher ebenso wenig gesetzlich gedeckt, weil der Beschwerdeführer den Tatbestand objektiv nicht verwirklicht hat.
S. 231 - 236, Materienrecht
Änderung des Geschlechtseintrages im Zentralen Personenstandsregister von „weiblich“ auf „nicht-binär“
Das von Art 8 Abs 1 EMRK gewährleistete Recht auf individuelle Geschlechtsidentität gewährleistet generell, dass Menschen (nur) jene Geschlechtszuschreibungen durch staatliche Regelung akzeptieren müssen, die ihrer Geschlechtsidentität entsprechen.
Das Verwaltungsgericht Wien geht davon aus, dass der in § 2 Abs 2 Z 3 PStG verwendete Begriff des „Geschlechts“ einen Geschlechtseintrag abseits der binären Kategorien „männlich“ und „weiblich“ grundsätzlich ermöglicht und eine solche weite Definition des Begriffs „Geschlecht“ abseits der Kategorien „männlich“ und „weiblich“ erforderlich sein kann, um den Anforderungen des Art 8 EMRK zu genügen.