Seit die Verwaltungsgerichte am 1.1.2014 ihre Tätigkeit aufgenommen haben, wurde ihr Zuständigkeitsbereich mehrfach erweitert. Im Sinne eines effektiven Rechtsschutzes erfasst dieser zum Teil auch den Bereich genereller Normen. Wird künftig der Aufgabenkatalog der Verwaltungsgerichte vom Individualrechtsschutz hin zum generellen Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln bzw -unterlassen ausgeweitet?
- ISSN Online: 2309-5121
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Inhalt der Ausgabe
S. 9 - 14, Aufsatz
5 Jahre Verwaltungsgerichtsbarkeit neu - Anlass für eine Neuvermessung des Rechtsstaats
Die Veröffentlichung von Auszügen eines durch fragwürdige Begründungen gekennzeichneten Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wird im vorliegenden Beitrag zum Anlass genommen, den gebotenen Formulierungsstil in behördlichen Entscheidungen anhand des Objektivitätsgebots näher zu betrachten.
S. 19 - 30, Aufsatz
Die Rolle der fachkundigen Laienrichterinnen und Laienrichter in der Verwaltungsgerichtsbarkeit - Teil II
S. 32 - 34, Judikatur - Verfahrensrecht
Ordnungsstrafe wegen beleidigender Schreibweise iSv § 34 AVG
Die vom Einschreiter in seiner Eingabe verwendeten Formulierungen („Machenschaft der Behörde“, „als eine willkürliche“, „frei erfundener Sachverhaltsdarstellungen“, „auffallende strafrechtlich relevant erscheinende Handlung“) werden den Anforderungen an eine sachliche Kritik keinesfalls gerecht. Sie sind als Beleidigung iSd § 34 Abs 3 AVG zu qualifizieren, da sie die belangte Behörde bzw deren zuständige Organwalter eines unehrenhaften und in der Folge sogar strafrechtlich relevanten Verhaltens zeihen.
Zwar sehen § 40 und § 8a Abs 7 VwGVG für die Einbringung eines Verfahrenshilfeantrags keine Frist vor. Jedoch folgt aus § 8a Abs 7 VwGVG, dass bei Einbringung des Verfahrenshilfeantrags nach Ablauf der Beschwerdefrist diese nicht neu zu laufen beginnt, sodass eine künftige Beschwerde jedenfalls verspätet wäre. Ein Verfahrenshilfeantrag, der nach Ablauf der Beschwerdefrist gestellt wird, ist somit wegen offenbarer Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung gem § 8a Abs 1 VwGVG abzuweisen, weil eine etwaige Beschwerde jedenfalls als verspätet zurückzuweisen wäre und die Beschwerdesache daher nicht mehr inhaltlich erledigt werden kann.
S. 35 - 37, Judikatur - Verfahrensrecht
Antrag auf Unterbrechung des Strafvollzuges. Berücksichtigung des bisherigen Verhaltens des Bestraften
Bei der Beurteilung der Annahme, dass sich der Bestrafte iSd § 54a Abs 3 VStG dem Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe rechtswidrigerweise zu entziehen versucht, kommt auch dem bisherigen Verhalten des Bestraften Bedeutung zu.
Die Verhängung einer Zwangsstrafe nach § 5 Abs 1 VVG setzt jedenfalls voraus, dass die Person gegen die das Zwangsmittel gerichtet ist, überhaupt fähig ist, einen rechtserheblichen Willen zu bilden, der durch die Verhängung des Zwangsmittels beeinflusst werden soll.
Nach § 2 Z 3 Umweltinformationsgesetz fallen unter „Umweltmaßnahmen“ (als Umweltinformationen) auch Verwaltungsakte, somit auch Genehmigungsbescheide. Es fallen sohin nicht nur „zahlenmäßige Aussagen“ über naturwissenschaftlich erhobene Messgrößen sondern auch sonstige vorhandene Aussagen in Textform wie auch (Betriebsanlagen-)Bescheide, die regelmäßig Feststellungen über die von der jeweiligen Betriebsanlage ausgehenden Emissionen enthalten, unter den Begriff der Umweltinformationen iSd Umweltinformationsgesetzes. Daher sind auch gutachterliche und behördliche Stellungnahmen, Einreichunterlagen (Projektunterlagen) im Anlagenverfahren sowie Pläne Umweltinformationen.
Geheimhaltungsinteressen der Grundstückseigentümerinnen können dann nicht in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn die Adressaten des Bescheides nach dem Wiener Baumschutzgesetz nicht preisgegeben werden.
Das „Durchfahren“ einer Wohnstraße erfüllt den objektiven Tatbestand des § 76 b Abs 1 StVO, da es nicht unter die Ausnahmen des „Zu- und Abfahrens“ subsumierbar ist, wobei es auf ein ursprünglich vom Fahrzeuglenker beabsichtigtes bloßes „Zufahren“ (aus welchem Motiv auch immer) nicht ankommt.
S. 43 - 46, Judikatur - Materienrecht
Abnahme und Einbehaltung einer Kennzeichentafel bis zur Ausfolgung eines Radar- oder Laserblockers
Unter den in § 98a Abs 1 KFG genannten Geräten oder Gegenständen sind nicht nur die komplette funktionstüchtige Ausrüstung, sondern auch ihre Bestandteile zu verstehen, sofern diese nur dem dort genannten und keinem anderen, zulässigen Zweck zu dienen geeignet sind. Demnach erfüllt auch schon das Vorhandensein eines Sensors oder eines Bedienelements allein die Voraussetzung für die Anwendung entsprechender Zwangsmaßnahmen.
S. 46 - 48, Judikatur - Materienrecht
Lenkerauskunftsbegehren nach § 103 Abs 2 KFG an eine juristische Person als Zulassungsbesitzer
Ist ein Lenkerauskunftsbegehren nach § 103 Abs 2 KFG an eine juristische Person als Zulassungsbesitzerin ergangen, kommt deren außenvertretungsbefugtem Organ im administrativrechtlichen Verfahren zur Erteilung der Lenkerauskunft keine Parteistellung zu. Eine derartige Parteistellung lässt sich auch nicht aus dem Umstand ableiten, dass ein außenvertretungsbefugtes Organ gem § 9 VStG für die Nichteinhaltung von Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen verantwortlich ist und es daher in weiterer Folge Beschuldigter in einem verwaltungsstrafrechtlichen Verfahren wegen Verletzung der Auskunftspflicht wäre. Daher war der Wiedereinsetzungsantrag eines außenvertretungsbefugten Organs gegen die Versäumung der Frist zur Erteilung einer Lenkerauskunft durch die juristische Person mangels Parteistellung in diesem Verfahren zurückzuweisen.
S. 49 - 52, Judikatur - Materienrecht
Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes: „Automatische“ Überprüfung durch das BVwG nicht verfassungswidrig
Die vom Gesetz angeordnete amtswegige Vorlage von Bescheiden, mit denen der faktische Abschiebeschutz aberkannt wird, zur Überprüfung durch das BVwG ist als Fiktion einer (Partei-)Beschwerde des Betroffenen zu deuten; wegen des engen Zusammenhangs dieses Verfahrens mit dem Folgeantrag auf internationalen Schutz ist diese Konstruktion mit dem System der Verwaltungsgerichtsbarkeit vereinbar.
S. 52 - 55, Judikatur - Materienrecht
Gewährung von subsidiärem Schutz aufgrund fehlender Verfügbarkeit eines Medikaments und Unterbrechung der Behandlung im Falle einer Abschiebung
Das Medikament Sabril ist zur Behandlung der Krankheit „West-Syndrom“ in der russischen Föderation – wenn überhaupt – nur unter größten Schwierigkeiten erhältlich.
S. 55 - 60, Judikatur - Materienrecht
Wartefrist für Familienzusammenführung bei subsidiär Schutzberechtigten nicht verfassungswidrig
Der – zumindest anfänglich – provisorische Charakter des Aufenthaltsrechts von subsidiär Schutzberechtigten und die Möglichkeit des (zeitnahen) Verlusts dieses Aufenthaltsrechts im Fall der Besserung der Sicherheitslage im Herkunftsland rechtfertigen es, den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten erst nach einer bestimmten Frist zu gestatten.
S. 60 - 61, Judikatur - Materienrecht
Abweisung der Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Studierende“ gem § 64 Abs 1 NAG
Ein Absehen von der in § 64 Abs 2 NAG genannten Voraussetzung aufgrund des Vorliegens eines unabwendbaren oder unvorhersehbaren Grundes kommt nicht in Betracht, da diese Möglichkeit nach dem klaren Wortlaut des § 64 Abs 2 letzter Satz NAG ausschließlich bei Fehlen des Studienerfolges oder des Ausbildungsfortschrittes, nicht jedoch bei fehlender Zulassung zum ordentlichen Studium innerhalb von zwei Jahren, vorgesehen ist.
S. 61 - 64, Judikatur - Materienrecht
Erfordernis der Selbsterhaltungsfähigkeit für die Erteilung von Aufenthaltstiteln nicht verfassungswidrig
Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, die Erteilung von Aufenthaltstiteln an andere (auch strengere) Voraussetzungen zu knüpfen als die Verleihung der Staatsbürgerschaft; dies auch bei Fremden, die eine Behinderung aufweisen.
Der Wille zum Erwerb einer fremden Staatsbürgerschaft muss gegeben sein. Eine fremde Staatsbürgerschaft kann natürlich nur bedeuten: eine andere als die österreichische. Dies setzt aber logisch voraus, dass ein Wissen um den Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft gegeben ist. Ohne dieses Wissen wäre es gar nicht möglich, gem § 27 Abs 1 StbG eine Bewilligung zur Beibehaltung der Österreichischen Staatsbürgerschaft bei gleichzeitigem Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit zu beantragen.
S. 68 - 76, Judikatur - Materienrecht
Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft infolge freiwilliger Rückkehr in den türkischen Staatsverband
Ob ein österreichischer Staatsbürger freiwillig eine fremde Staatsangehörigkeit angenommen hat, ist von Amts wegen festzustellen. Die Mitwirkungspflicht des Betroffenen enthebt die Behörde nicht ihrer Verpflichtung zur amtswegigen Feststellung des Sachverhalts.
S. 76 - 78, Judikatur - Materienrecht
Planungsrechtliche Einordnung eines Mehrparteienhauses mit touristischer Nutzung einer Wohnung
Bei dem Ausnahmetatbestand des § 31 Abs 5 Z 3 ROG 2009 idF vor LGBl 82/2017 kommt es nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut dieser Bestimmung („für Wohnungen“) auf die Nutzung der betreffenden Wohneinheit und nicht auf die des Objektes an. Eine vor dem maßgeblichen Stichtag (1.4.2009) erfolgte touristische Nutzung einer Wohnung in einem Bau mit mehr als 5 Wohnungen führt daher nicht dazu, dass sämtliche Wohnungen in diesem Bau unter das Privileg der Z 3 fallen.
Nach der stRsp des VwGH in Verwaltungsstrafsachen zur Fahrlässigkeit nach § 5 Abs 1 VStG kann nur eine auf einer vollständigen Sachverhaltsgrundlage erteilte, unrichtige Rechtsauskunft durch die zuständige Behörde als Entschuldigungsgrund bei Gesetzesverstößen anerkannt werden. Unterlässt der Beschuldigte die Einholung einer solchen Auskunft durch die zuständige Behörde, kann er deswegen einem Schuldspruch nicht mit Erfolg entgegentreten (vgl VwGH 26.4.2016, Ro 2015/09/0014 mwN). Anlässlich des Erwerbs einer Wohnung erteilte Auskünfte von Immobilienmaklern, wonach eine touristische Vermietung zulässig sei, sind keine Rechtsauskünfte durch die zuständige Behörde und wirken daher nicht schuldausschließend.
Die raumordnungsrechtliche Zulässigkeit von Gästebeherbergungen ist für die Entstehung der Abgabepflicht nach den landesgesetzlichen Vorschriften keine Voraussetzung (vgl § 1 Abs 2 Sbg Ortstaxengesetz 2012) und unterliegen somit auch gem § 31 Abs 5 ROG 2009 idF vor LGBl 82/2017 raumordnungsrechtlich nicht zulässige Gästebeherbergungen der Ortstaxe. Aus dem Umstand, dass die Gemeindeabgabenbehörde für die Gästenächtigungen die Ortstaxe einhob, können die Beschwerdeführer daher nicht ableiten, dass ihnen damit die touristische Nutzung raumordnungsrechtlich gestattet wurde.
S. 78 - 82, Judikatur - Materienrecht
Gebäudeeigenschaft eines Hühnerstalls auf einem Anhänger-Fahrgestell (umgebauter Wohnwagen)
Die kraftschlüssige Verbindung zum Boden ergibt sich bei dem auf einem Anhänger-Fahrgestell (mit vorhandener Deichsel und zwei bereiften Achsen) aufgebauten Objekt im gegenständlichen Fall durch die Räder, die unzweifelhaft mit dem Boden in Verbindung stehen und das Eigengewicht des Hühnerstalls tragen müssen. Bautechnische Kenntnisse sind somit schon aus Gründen der Standsicherheit und Statik erforderlich. Zur fachgerechten Herstellung des auf einem Anhänger-Fahrgestell aufgebauten Hühnerstalls sind unzweifelhaft bautechnische Kenntnisse erforderlich. Dies schon deshalb, weil bei nicht fachgerechter Herstellung Einsturzgefahr besteht und sohin eine Gefährdung von Personen und Sachen (Hühner) nicht auszuschließen ist. Im Übrigen kann der Stall unbestritten von Menschen betreten werden, da anders ein entsprechendes Umsorgen der Tiere kaum möglich wäre. Das geplante Vorhaben ist somit als „Gebäude“ zu qualifizieren und stellt folglich zweifelsfrei ein nach § 6 Abs 1 Z 1 Oö NSchG 2001 anzeigepflichtiges Vorhaben dar.
S. 82 - 85, Judikatur - Materienrecht
Vergrämen von Wölfen - Bewilligung nach dem Oö Jagdgesetz
Die Erlangung einer Ausnahmebewilligung zur Vergrämung von Wölfen nach dem Oö Jagdgesetz setzt essentielle Sachverhaltsermittlungen der Behörde voraus.
Eine Pauschalierung der für Haushaltsgemeinschaften vorgesehenen Bedarfsorientierten Mindestsicherung verstößt dann nicht gegen den Gleichheitssatz, wenn jedem Haushaltsangehörigen eine Mindestleistung gebührt, deren Ausmaß das Ziel der Bekämpfung und Vermeidung sozialer Notlagen berücksichtigt.
S. 89 - 91, Judikatur - Materienrecht
Mindeststrafe für unterlassene Bereitstellung von Lohnunterlagen nicht verfassungswidrig
Die Mindeststrafdrohungen für die Nichtbereithaltung von Lohnunterlagen finden ihre sachliche Rechtfertigung in dem Ziel, einer allfälligen Umgehung des Verbotes der Unterentlohnung von Arbeitskräften entgegenzuwirken. Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, bei der Festsetzung der Strafdrohung für derartige Verwaltungsübertretungen den möglichen wirtschaftlichen Nutzen in Betracht zu ziehen, den der Täter durch das verbotswidrige Verhalten erzielt.