Rund 20 Jahre nach der Mietrechtsnovelle 20011, bemerkenswert spät, lassen die substanziellen Modifikationen des § 1 MRG noch immer einige Fragen offen. Im Zentrum mietrechtlicher Diskussion steht nach wie vor der Tatbestand des § 1 Abs 2 Z 5 MRG, der seit der MRN 2001 neben den selbständigen Wohnungen nunmehr auch Geschäftsräumlichkeiten erfasst. Im vorliegenden Beitrag soll auf die aktuelle Rechtslage anhand einer Judikaturübersicht eingegangen und aufgezeigt werden, dass durch die begriffliche Ausdehnung des § 1 Abs 2 Z 4 MRG aF nicht ganz unerhebliche Zweifelsfragen aufgeworfen wurden. Zum anderen soll durch einen historischen Abriss der Frage nachgegangen werden, was die ratio legis des Vollausnahmetatbestandes von § 1 Abs 2 Z 5 MRG bildet.
- ISSN Online: 1613-7647
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Inhalt der Ausgabe
S. 489 - 502, Aufsatz
Das Ein- oder Zwei-Objekt-Gebäude: Fragen zum Vollausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 Z 5 MRG
S. 506 - 510, Rechtsprechung
Rügeobliegenheit des Mieters bei befristetem Mietvertrag und Fehlen eines Ausstattungsmerkmals
Die Rügeobliegenheit des Mieters erfasst die Unbrauchbarkeit eines Ausstattungsmerkmals und damit auch das Fehlen eines zeitgemäßen Standards der Badegelegenheit, unabhängig davon, ob es sich dabei um einen Mangel handelt, der für den Vermieter bei Abschluss des Mietvertrags offenkundig sein musste. Bei befristeten Vertragsverhältnissen entspricht der Mieter seiner Rügeobliegenheit nach § 15a Abs 2 MRG nur dann, wenn er sie vor Beendigung des Mietverhältnisses erhebt und die Anzeige so rechtzeitig erfolgt, dass der Mieter den Mangel noch vor Vertragsende beheben kann. Die Mängelrüge ist damit auf Fälle beschränkt, in welchen das Mietverhältnis noch nicht beendet ist.
S. 510 - 511, Rechtsprechung
Mietzinsrückstand: Erkrankung schließt grobes Verschulden nicht schlechthin aus
Dem Rechtsanwender wird bei Beurteilung eines bestimmten Verhaltens als grobes Verschulden an der nicht rechtzeitigen Zahlung des Mietzinses ein gewisser Beurteilungsspielraum eingeräumt. Eine Erkrankung – wie bspw eine Alkoholabhängigkeit – schließt grobes Verschulden nicht schlechthin aus.
S. 511 - 512, Rechtsprechung
Neuerliche Zustimmung der Wohnungseigentümer nur bei gravierender Änderung von Baumaßnahmen notwendig
Lediglich eine gravierende Änderung von Baumaßnahmen, denen die übrigen Wohnungseigentümer ursprünglich zugestimmt haben, bedarf einer neuerlichen Zustimmung der Wohnungseigentümer. Eine ergänzende Vertragsauslegung kann hingegen ergeben, dass geringfügige Änderungen von der ursprünglichen Zustimmung gedeckt sind. Dies betrifft insb solche, die ihre Ursache in einer notwendigen Anpassung an tatsächliche bauliche Gegebenheiten haben. Die Frage, ob eine baubehördliche Bewilligung einer Änderung erforderlich und zu erlangen ist, spielt im Verfahren nach § 16 WEG 2002 solange keine Rolle, als nicht von vornherein feststeht, dass mit einer Bewilligung der Baubehörde keinesfalls zu rechnen ist. Über die Baubewilligung entscheidet die Baubehörde, der auch die Überwachung der bewilligungsgemäßen Bauausführung zukommt. Die für baubewilligungspflichtige Maßnahmen durch die Bauordnungen vorgeschriebene Zustimmung aller Miteigentümer ist durch Beschluss des Außerstreitrichters im Änderungsverfahren dann durchsetzbar, wenn eine Verletzung von Interessen der übrigen Miteigentümer nicht in Betracht kommt.
S. 512 - 517, Rechtsprechung
Durchsetzung von Erhaltungsarbeiten durch den einzelnen Wohnungseigentümer
Der Verweis auf die vom einzelnen Mit- und Wohnungseigentümer nach § 30 Abs 1 Z 1 WEG 2002 durchzusetzenden Erhaltungsarbeiten in § 28 Abs 1 Z 1 WEG 2002 betrifft auch „fiktive“ Erhaltungsarbeiten iSd § 3 Abs 2 Z 4 MRG. Die grundsätzlich für die Definition der Erhaltungsarbeiten geforderte Reparaturbedürftigkeit, Schadensgeneigtheit oder Funktionseinschränkung ist bei solchen „fiktiven“ Erhaltungsarbeiten nicht maßgeblich.
Der in § 3 Abs 2 Z 4 MRG genannte Begriff „Umgestaltung aufgrund öffentlich-rechtlicher Verpflichtung“ ist jedenfalls für den Bereich des WE-Rechts dahin einschränkend auszulegen, dass er sich nur auf solche Maßnahmen bezieht, die nicht zu einer Standardverschlechterung führen. Ein Individualrecht des Wohnungseigentümers auf Durchsetzung von – selbst behördlich aufgetragener – Maßnahmen, die nicht nur keine Verbesserung mit sich bringen, sondern den Standard der allgemeinen Teile des Hauses sogar verschlechtern, besteht gegen den Mehrheitswillen nicht.
S. 517 - 520, Rechtsprechung
Unterlassungsklage wegen Immissionen eines Nachtlokals Jahre nach Eröffnung
Die in § 364 Abs 2 ABGB gebrauchten Ausdrücke „örtlich“ und „ortsüblich“ sind nicht idS zu verstehen, dass es auf die Verhältnisse innerhalb der gesamten politischen Gemeinde ankommt. Maßgebend sind vielmehr die Lage des beeinträchtigten Grundstücks zu dem, von dem die Störung ausgeht, und die Verhältnisse in der unmittelbaren Umgebung beider Liegenschaften. Handelt es sich bei einem Lokal um das einzige Lokal im näheren Umkreis, das nach Mitternacht noch geöffnet hat und ist das Lokal kein Betrieb, der – vergleichbar einer Bahnanlage, einem industriellen Großbetrieb, einem Sportstadion oder einer großen Gondelbahn – den Charakter eines Raumes allein zu prägen im Stande ist, liegt keine durch Nachtgastronomie geprägte Örtlichkeit vor. Ist das Lokal für die Örtlichkeit iSd § 364 Abs 2 ABGB nicht prägend, macht das Verhalten seiner Gäste dieses nicht ortsüblich. Es schadet demnach nicht, wenn die Klage erst viele Jahre nach Lokaleröffnung erhoben wurde.
Aus der Einführung des generellen Rauchverbots in Lokalen kann nicht abgeleitet werden, dass Nachbarn mehr Immissionen – von draußen rauchenden Gästen – zu erdulden hätten.
Lärmeinwirkungen sind eindeutig mittelbare Immissionen, die nur so weit, als sie das ortsübliche Ausmaß überschreiten und die ortsübliche Benützung wesentlich beeinträchtigen, untersagt werden können.
Die Verneinung der Beeinträchtigung der ortsüblichen Nutzung eines Grundstücks liegt im Rahmen der Rsp, wenn eine Luft-Wasser-Wärmepumpe, die in einem Abstand von 1,6 m zur Nachbarsgrundstücksgrenze aufgestellt ist, zur Tageszeit eine Schallpegelveränderung von 1 dB verursacht, und die Geräusche der Luft-Wasser-Wärmepumpe nur im Badezimmer subjektiv wahrnehmbar sind.
S. 521 - 525, Rechtsprechung
Miteigentum: Verzicht auf Teilungsanspruch durch konkludente Fortsetzungsvereinbarung aufgrund einer einvernehmlichen Sachwidmung
Die Teilhaber einer Gemeinschaft können verbindlich eine Vereinbarung über die Fortsetzung der Gemeinschaft eingehen und damit auf die Geltendmachung des Teilungsanspruchs verzichten. Die Fortsetzungsvereinbarung kann auch konkludent zustande kommen, weshalb eine solche rechtsgeschäftliche Beschränkung des Teilungsanspruchs auch in einer einvernehmlichen Sachwidmung liegen kann. Die Sachwidmung ist von der Benützungsvereinbarung zu unterscheiden. Diese ist nicht als schlüssige Fortsetzungsvereinbarung zu beurteilen. Sie bewirkt die Umgestaltung allgemeiner Gebrauchsbefugnisse eines Miteigentümers in Sondernutzungsrechte an bestimmten Sachteilen.
In einem solchen Fall des Verzichts auf den unbedingten Teilungsanspruch kann die Teilung nur aufgrund eines wichtigen Grundes verlangt werden.
S. 525 - 526, Rechtsprechung
Miteigentum: Teilungshindernis der Unzeit auch bei Klagseinbringung nach Teilungsklage
Das Teilungshindernis der Unzeit kann auch dann vorliegen, wenn der Teilungsbeklagte nach Streitanhängigkeit des Teilungsprozesses den Teilungskläger auf Herausgabe dessen Miteigentumsanteils und/oder auf Einwilligung in die Einverleibung des Miteigentumsrechts klagt und das allenfalls stattgebende Urteil dem Teilungsanspruch die Grundlage entzieht.
S. 527 - 528, Rechtsprechung
Mietzinsminderung bei Heizungsausfall nur während der kalten Jahreszeit
Der Mietzinsminderungsanspruch des Mieters berechnet sich nach Grad und Dauer der Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts. Bei einem Heizungsausfall besteht dieser Anspruch somit nur während der üblichen Heizperiode, wird also auf die kalte Jahreszeit beschränkt.
Für die Frage der gesetzlichen Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 3 Abs 2 Z 1 und 2 MRG und deren Durchsetzung ist es grundsätzlich nicht maßgeblich, ob die zu erhaltenden Gebäudeteile und Einrichtungen vom Vermieter oder vom Mieter geschaffen werden. Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass auch ein Mietzinsminderungsanspruch des Mieters besteht. Eine Mietzinsminderung entfällt dann, wenn der Mangel vom Bestandnehmer verschuldet wird, oder er den Mangel selbst rechtswidrig verursacht, ohne seine Schuldlosigkeit zu beweisen. Die Schlussfolgerung, die Mietzinsminderung sei zwingende Folge der Bejahung der Erhaltungspflicht, ist daher unzutreffend.
S. 528 - 529, Rechtsprechung
Mietzinsminderung wegen Bleigehalts des Wassers sowie Geruchsbelästigung
Die Ansicht, dass wegen des hohen Bleigehalts des Trinkwassers und der (nur) zeitweise und (nur) in Teilen der Wohnung aufgetretenen Geruchsbelästigungen keine gänzliche Unbrauchbarkeit, sondern nur eine (wenngleich massive) Gebrauchsbeeinträchtigung vorlag und daher das Recht auf eine 100%ige Mietzinsminderung verneint wurde, hält sich im Rahmen der Rsp.
S. 529 - 534, Rechtsprechung
Mietzinsbefreiung infolge pandemiebedingter Betretungsverbote (Sonnenstudio)
Zu den in § 1104 ABGB (ua) ausdrücklich genannten Elementarereignissen gehört die „Seuche“. Bei der COVID-19-Pandemie handelt es sich um eine Seuche, weil COVID-19 eine Infektionskrankheit ist, die infolge ihrer großen Verbreitung und der Schwere des Verlaufs eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Auch wenn erst unmittelbar aus einer hoheitlichen Anordnung (Betretungsverbot) folgt, dass das für bestimmte Geschäftszwecke gemietete Objekt gar nicht entsprechend der vertraglichen Vereinbarung genutzt werden darf, kommt es zu einer vollständigen Mietzinsbefreiung. Das bloße Belassen des Inventars in den Räumen ist keine teilweise Nutzung des Bestandobjekts zum vertraglich vereinbarten Zweck.
Auf die Frage, ob der Bestandnehmer trotz Anwendbarkeit des § 1104 ABGB verpflichtet sein könnte, BK zu zahlen, war in casu nicht einzugehen. Es bleibt ebenso offen, welche Bedeutung staatliche Hilfsmaßnahmen auf die Mietzinsbefreiung haben. Rechtsfragen, die sich aus einer zumindest teilweisen Nutzung des Bestandobjekts ergeben könnten, stellen sich im vorliegenden Fall auch nicht.
S. 534 - 540, Rechtsprechung
Begriff der „Bagatellreparatur“ iSd § 14a Abs 2 Z 2b WGG
Das Gesetz selbst definiert den Begriff der „Bagatellreparatur“ iSd § 14a Abs 2 Z 2b WGG idF BGBl 157/2015 nicht, weshalb dieser ausgelegt werden muss. Eine solche Bagatellreparatur liegt nur dann vor, wenn sie in qualitativer Hinsicht weder eine spezielle Ausbildung noch die umfassende Kenntnis einschlägiger Vorschriften und/oder besondere Fertigkeiten erfordert oder aber, wenn sie von einem Mieter mit durchschnittlichen Kenntnissen und Fertigkeiten selbst vorgenommen werden kann und in quantitativer Hinsicht der Aufwand an Zeit, Kosten und Mühe nur gering ist. Je höher der Aufwand an Mühe und/oder Zeit ist, desto weniger ist die Kostenbelastung bei dieser Beurteilung entscheidend.
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