Die Abhandlung ist die Schriftfassung eines Vortrags vom Bankrechtsforum 2023, ergänzt insb um Nachweise und einen Epilog. Kernthese ist, dass die EuGH-Judikatur, insb die Caixabank-Entscheidungen, keine Änderung der nationalen Rechtsprechung erfordert, wonach mit Verbrauchern Kreditbearbeitungsentgelte wirksam vereinbart werden können. Davon ausgehend steht der Vertrauensschutz einer Änderung dieser Judikatur aus „inneren Ursachen“ des österreichischen Rechts entgegen.
Heft 1, Januar 2024, Band 72
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Inhalt der Ausgabe
Mehrere Senate des OGH befassten sich in Individualverfahren mit der AGB-Kontrolle von qualifizierten Nachrangklauseln. Die Urteile festigen nicht nur die bisherige Rsp zur AGB-Kontrolle bei Nachrangdarlehen, sondern zeigen auch bisher kaum beachtete Fragen auf, die bei der Ausgestaltung solcher Finanzierungen zu berücksichtigen sind.
Die Entstehung von Decentralized Finance (DeFi) kennzeichnet einen Paradigmenwechsel im Finanzsektor und bringt sowohl Chancen als auch vielschichtige Herausforderungen mit sich. Da DeFi fortwährend traditionelle Finanzsysteme neu definiert, ist es von entscheidender Bedeutung, dass Stakeholder die Mechanismen, die dieser Entwicklung zugrunde liegen, insbesondere die Rollen von Behavioral Finance und Public Policy, verstehen. Dieser Artikel stellt eine Literaturübersicht zur Regulierung der Finanzmärkte dar, untersucht das transformative Potenzial von DeFi und dessen inhärente Risiken und erforscht die Implikationen für regulatorische Rahmenbedingungen, die auf Behavioral Finance basieren.
DeFi bietet ein einzigartiges Zusammentreffen von Vorteilen, von der Demokratisierung des Zugangs zu Instrumenten des Finanzmarktes bis hin zur Förderung von Transparenz und Effizienz. Allerdings birgt dieser neu entstehende Bereich auch Risiken, einschließlich Anfälligkeiten von Smart Contracts, Abhängigkeiten von externen Protokollen, das Risiko von vermeintlicher Dezentralisierung und die Herausforderungen von Vertrauensmechanismen. Diese Risiken beeinflussen nicht nur Einzelinvestoren, sondern können auch Kaskadeneffekte auf das breitere Finanzökosystem haben. Im Zentrum des Aufstiegs von DeFi steht menschliches Verhalten und damit Verhaltensökonomie bzw Behavioral Economics. Theorien über Behavioral Finance beleuchten die kognitiven Verzerrungen (bias) und Heuristiken, die Anlegerentscheidungen in dieser neuartigen Landschaft beeinflussen. So könnte beispielsweise die Verlockung hoher Renditen in DeFi dazu führen, dass einige potenzielle Fallstricke übersehen werden, oder die wahrgenommene Kontrolle, die von dezentralisierten Plattformen geboten wird, könnte das Anlegervertrauen in ihre Anlageentscheidungen aufblähen. Durch weitere Forschung zu diesen Verhaltensmustern könnten Regulierungsbehörden und politische Entscheidungsträger Strategien entwickeln, die Anleger schützen und gleichzeitig Innovation fördern.
Public Policy im Kontext von DeFi ist ein heikler Balanceakt. Einerseits besteht die Notwendigkeit, Anleger zu schützen und die Marktintegrität sicherzustellen. Andererseits besteht das Risiko einer Überregulierung, die genau jene Innovationen erstickt, die DeFi transformativ machen. Politische Entscheidungsträger müssen sich mit diesen Herausforderungen auseinandersetzen und Wege finden, regulatorische Rahmenbedingungen zu schaffen, die sowohl schützend als auch adaptiv sind.
Die Antwort auf die Regulierung von DeFi könnte darin gefunden werden, ihre Nutzer oder Peers (Mitglied auf selber Ebene) zu regulieren, anstatt der Protokolle selbst, ähnlich wie Plattformbetreiber auf der Grundlage ihrer angebotenen Dienstleistungen, wodurch sie für die Einhaltung von Vorschriften der Finanzmarktregulierung, dem Gesellschaftsrecht, Steuerrecht und anderen einschlägigen Bestimmungen verantwortlich gemacht werden könnten.
S. 45 - 46, Berichte und Analysen
Was ist eigentlich … Emotional Leadership?
S. 47 - 54, Rechtsprechung des OGH
Klauselentscheidung zu Bausparbedingungen: Kündigungsrecht; Kontoführungsentgelt; Zustimmungsfiktion.
879 ABGB; §§ 1, 4 BspG; § 18 HIKrG; §§ 6, 28, 29 KSchG; §§ 4, 14 VKrG.
Klauselentscheidung zu Bausparbedingungen: Kündigungsrecht; Kontoführungsentgelt; Zustimmungsfiktion.
S. 54 - 54, Rechtsprechung des OGH
Zur Einlösung der Pfandforderung aufgrund eines Veräußerungs- und Belastungsverbots.
§§ 364c, 462, 863 ABGB. Ebenso wie der Pfandgläubiger hat auch der Berechtigte eines Veräußerungs- und Belastungsverbots (§ 364c ABGB) vor der exekutiven Verwertung der Sache ein Einlösungsrecht nach § 462 ABGB.
S. 54 - 55, Rechtsprechung des OGH
Bankgeheimnis und Forderungseinlösung nach § 1422 ABGB.
§ 1422 ABGB; § 38 BWG. Die Einlösung der Forderung einer Bank aus einem Kreditvertrag setzt wegen § 38 BWG die Zustimmung sämtlicher Kreditnehmer zur Offenbarung der Geheimnisse an den Neugläubiger voraus. Dies gilt auch, wenn die im Zuge der Einlösung zu offenbarenden Geheimnisse (zumindest teilweise) bereits in einem gerichtlichen Insolvenzverfahren offenbart wurden.
S. 55 - 57, Rechtsprechung des OGH
Insolvenzanfechtung: Aus strafbaren Handlungen erlangte Gelder.
§§ 27, 28 IO; § 82 GmbhG; § 159 StGB. Auch Zahlungen an Dritte aus Mitteln des Schuldners, die er aus strafbaren Handlungen erlangt hat, können gläubigerbenachteiligende Rechtshandlungen sein, deren Anfechtung befriedigungstauglich ist.
S. 57 - 58, Rechtsprechung des OGH
EKEG: Garantieerklärung eines Gesellschafters.
§§ 2, 15 EKEG; § 67 IO. Bürgt ein Gesellschafter in einem Zeitpunkt, in dem eine Kreditgewährung Eigenkapital ersetzend wäre, für die Rückzahlung des Kredits eines Dritten, bestellt er ein Pfand oder leistet er eine vergleichbare Sicherheit, so kann sich der Dritte gemäß § 15 Abs 1 EKEG bis zur Sanierung der Gesellschaft trotz entgegenstehender Vereinbarung wegen der Rückzahlung des Kredits aus der Sicherheit befriedigen, ohne zuerst gegen die Gesellschaft vorgehen zu müssen.
S. 58 - 59, Rechtsprechung des OGH
Zur Reichweite eines Vergleichs über Haftungen aus Bürgschaft.
§§ 914, 915, 1389 ABGB; § 163a StGB. Vergleiche sind nach stRsp anhand der allgemeinen Regeln der §§ 914, 915 ABGB auszulegen. Wurde im Vorfeld eines Vergleichs zwischen einem Kreditinstitut und dem Geschäftsführer einer insolventen GmbH ausschließlich über seine „persönlichen Haftungen“ über rund € 500.000 aus seiner Bürgschaft gegenüber dem Kreditinstitut verhandelt, erfasst der Vergleich nicht auch etwaige Schadenersatzansprüche wegen Bilanzfälschung (§ 163a Abs 1 Z 1 StGB), für die der Geschäftsführer verurteilt wurde.
S. 59 - 61, Rechtsprechung des OGH
Verein als Unternehmer iSd § 1 KSchG.
§§ 1, 28, 29 KSchG; § 1 UGB; Art 6 Rom-I. Ein Verein ist als Unternehmer iSd § 1 Abs 2 KSchG zu qualifizieren, wenn er als professionell auftretender Marktteilnehmer handelt, der seinen Mitgliedern verschiedene (Versicherungs-) Leistungen anbietet und eine entsprechende Vertriebsorganisation hat, und zwar unabhängig davon, ob er für die Vermittlungstätigkeit vergütet wird.
Ermöglicht der Verein seinen Mitgliedern den Beitritt zu einem Gruppenversicherungsvertrag gegen Entgelt, ist der zugrundeliegende Vertrag gemäß Art 6 Abs 1 ROM I-VO anzuknüpfen, weil aufgrund der professionellen Akquise einer Vielzahl von Verbrauchern für den Versicherungsbeitritt eine berufliche Tätigkeit vorliegt, auch wenn der Verein kein Entgelt für die Versicherungsleistung erhält.
S. 61 - 64, Rechtsprechung des OGH
(Kein) Rechtsmissbrauch bei Rücktritt nach § 12 FAGG.
§§ 12, 16 FAGG. Es kann nicht als rechtsmissbräuchliche Ausübung des Rücktrittsrechts nach § 12 FAGG angesehen werden, wenn ein Verbraucher eine Wohnung, die er zunächst über Vermittlung einer Maklerin besichtigt hat, in weiterer Folge ohne Beteiligung der Maklerin kauft und erst daraufhin das Rücktrittsrecht ausübt, um eine Provisionszahlung zu vermeiden. Von einem Rechtsmissbrauch könnte vielmehr - wenn überhaupt - nur dann ausgegangen werden, wenn der Verbraucher von vornherein aus Schädigungsabsicht oder aus überwiegenden unlauteren Motiven gehandelt hätte.
§§ 1, 3 FAGG. Maßgeblich für die Anwendbarkeit des FAGG ist, ob der Unternehmer seinen Vertrieb organisatorisch - zumindest auch - auf einen regelmäßigen Absatz per Distanzgeschäft (Fernabsatz) ausgerichtet hat, wofür auch ein von ihm selbst eingerichtetes derartiges System ausreichen kann. Die Annahme eines Fernabsatzgeschäfts setzt dabei aber keinen standardisierten Geschäftsabschluss in einem Webshop voraus, weil auch telefonische oder per E-Mail zustande gekommene Verträge den Tatbestand des Fernabsatzes erfüllen.
§ 35 EO. 3. Die Aufrechnung mit einer Gegenforderung bildet nur dann einen Oppositionsklagegrund, wenn sie im Titelprozess aus objektiven Gründen (noch) nicht möglich war. Hätte hingegen bereits im Titelprozess aufgerechnet werden können, kann die erst durch Schaffung des Titels erklärte Aufrechnung nicht mit Oppositionsklage geltend gemacht werden.
S. 65 - 66, Rechtsprechung des OGH
Abtretung von Gewährleistungsansprüchen beim Finanzierungsleasing.
§§ 932, 933, 988 ABGB. Gewährleistungsansprüche des Leasinggebers können an den Leasingnehmer abgetreten werden. Beim Finanzierungsleasing kommt auch die selbständige Abtretung der Wandlungsansprüche in Betracht. Hat der Leasinggeber seine Gewährleistungsansprüche formularmäßig an den Leasingnehmer abgetreten, so bedeutet dies aber nicht gleichzeitig, dass der Leasingnehmer damit auch den Kondiktionsanspruch zediert erhalten soll.
S. 66 - 72, Entscheidungen des EuGH
Für die Beurteilung der Transparenz und möglichen Missbräuchlichkeit einer Klausel, die den variablen Zinssatz eines Hypothekardarlehensvertrages regelt und sich dazu auf einen durch ein amtlich veröffentlichtes Rundschreiben f...
Vorlage zur Vorabentscheidung - Verbraucherschutz - RL 93/13/EWG - Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen - Hypothekendarlehensverträge - Einen variablen Zinssatz vorsehende Klausel - Auf den effektiven Jahreszinssätzen für von Kreditinstituten gewährte Hypothekendarlehen beruhender Referenzindex - Durch eine Rechts- oder Verwaltungsvorschrift festgelegter Index - In der Präambel dieses Rechtsakts enthaltene Hinweise - Kontrolle des Transparenzerfordernisses - Beurteilung der Missbräuchlichkeit;
Art 3 Abs 1 sowie die Art 4 und 5 der RL 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen sind dahin auszulegen, dass für die Beurteilung der Transparenz und der etwaigen Missbräuchlichkeit einer Klausel eines Hypothekendarlehensvertrags mit variablem Zinssatz, die als Referenzindex für die regelmäßige Anpassung des für dieses Darlehen geltenden Zinssatzes einen durch ein amtlich veröffentlichtes Rundschreiben festgelegten Index angibt, auf den ein Aufschlag angewandt wird, der Inhalt der in einem anderen Rundschreiben enthaltenen Informationen relevant ist, denen zufolge auf diesen Index unter Berücksichtigung seiner Berechnungsmethode ein negativer Korrekturwert anzuwenden ist, um diesen Zinssatz an den Marktzinssatz anzupassen. Ebenfalls relevant ist, ob diese Informationen einem Durchschnittsverbraucher hinreichend zugänglich sind.
S. 72 - 76, Entscheidungen des EuGH
Zur Aufrechterhaltung eines Vertrags, der eine missbräuchliche Klausel enthält, deren Aufhebung zur Nichtigkeit des Vertragsverhältnisses führen würde, steht es der Verbraucherin offen, auf den Schutz des Art 6 Klausel-RL zu ve...
Vorlage zur Vorabentscheidung - Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen - Richtlinie 93/13/EWG - Wirkungen der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel - Wille des Verbrauchers, den Vertrag durch Änderung der darin enthaltenen missbräuchlichen Klausel aufrechtzuerhalten - Befugnisse des nationalen Gerichts;
Art 6 Abs 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass er dem entgegensteht, dass ein nationales Gericht, wenn es festgestellt hat, dass ein Vertrag nach Aufhebung einer missbräuchlichen Klausel nicht aufrechterhalten werden kann und der betreffende Verbraucher den Willen zum Ausdruck bringt, dass dieser Vertrag durch Änderung dieser Klausel aufrechterhalten werden soll, über die zur Wiederherstellung der tatsächlichen Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien zu ergreifenden Maßnahmen entscheidet, ohne zuvor die Folgen einer Nichtigerklärung des Vertrags in seiner Gesamtheit zu prüfen; dies gilt auch dann, wenn das Gericht die Möglichkeit hat, die Klausel durch eine dispositive Bestimmung des nationalen Rechts oder durch eine Bestimmung, die im Fall einer entsprechenden Vereinbarung der Parteien anwendbar ist, zu ersetzen.
S. 76 - 77, Buchbesprechung
Decentralized Finance Unmasked ; Behavioral Finance and Public Policy Insights on Financial Market Regulation
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